19.01.20

„Ich kann’s versuchen: Das Universum wird immer größer, und das auch immer schneller.“ „Ok.“
„Um genauer zu sein, bewegen sich die Galaxien immer schneller voneinander weg. Was du hier siehst ist die Milchstraße, und ohne Teleskop sehen auch entfernte Galaxien von hier aus nicht anders aus, als ein einzelner Stern.“
„Also, äh, weil die Sternenhaufen so dicht zusammen, so kompakt sind, und gleichzeitig so weit weg, entstehen die Lücken?“
„Nicht so ganz? Unendlichkeit macht die Sternendichte ja wieder wett. Immer. Verstehst du?“
„Ungefähr … ja. Nein.“ Stotterte ich.
„Es hat schon mit den sich von uns entfernenden Galaxien zu tun, die für uns wie einzelne Sterne leuchten. Der Raum zwischen uns wird nur immer schneller größer. Bei vielen inzwischen eben so schnell, dass das Licht es gar nicht mehr hindurch schafft.“
„Scheiße, dann … ist es da oben eigentlich schon ziemlich düster.“
Nadja nickte. „Sehr sogar. Und wir machen es mit unserem Licht nur noch dunkler.“
„Moment, der Raum zwischen den Galaxien wird schneller größer, als die Lichtgeschwindigkeit?“
Sie schüttelte den Kopf. „Schneller muss es gar nicht sein, Lichtgeschwindigkeit selbst reicht.“
„Dunkelgeschwindigkeit gleich Lichtgeschwindigkeit?“
Nadja sah mich an und lächelte. „Eigentlich hat nicht das Dunkel selbst eine Geschwindigkeit, aber ich mag die Verknüpfung. Es ist Raum.“
„Erschafft also Licht erst … den Raum … in dem es sich bewegt?“
„Sehr gut. So könnte man es vielleicht auch sehen. Ich sehe es so, dass … wenn etwas passiert, ein Ereignis, dann entsteht gleichzeitig Licht und Raum.“
„Ich komm nicht mehr mit, glaube ich. Nee, ganz sicher sogar nicht.“
„Macht nichts, hier wird es sowieso schon zu Metaphysik.“ Ich nickte. „Und was ist so ein Ereignis?“
„Was du willst.“
„Und das siehst du, wenn du dort hoch blickst? Ereignisse?“ „Hmm.“
„Galaxien, die uns verlassen.“
„Ja.“
„Hast du schon mal eine gesehen, die erloschen ist?“
„Das passiert im für’s menschliche Auge nicht sichtbaren Spektrum.“
„Also … wie bei den Bienen, stimmt’s? Für uns verschwindet es vorher, obwohl es eigentlich noch da ist?“
Sie sah mich an und lächelte. Auch wenn ich es nicht sehen konnte, wusste ich doch, dass sie weinte.
„Nicht es, sondern … er, Valentin.“ Nadja schluckte.
„Nein“, sagte ich bestimmt, ohne zu wissen, wo das herkam.
„Valentin ist kein Licht zwischen den Galaxien, das langsam erlischt. Er ist uns näher.“
Sie legte ihre Hand auf meinen Arm. „Es ist lieb, dass du mich trösten möchtest, Johann.“
„Es war nicht als Trost gemeint, du irrst dich. Ich habe nur nicht die richtigen Worte, verdammt. Ich kenne mich mit dem Astro-Kram nicht so aus wie du oder Heßler, aber ich weiß was ich fühle.“
Nadja sah mir in die Augen, suchte darin nach etwas, nickte schließlich und tatsächlich hellte sich ihr Gesicht auf. Sie nahm die Hand von meinem Arm und seufzte. „Getröstet hat mich – wenn man das überhaupt so sagen kann – Tori Amos. Hast du From the Choirgirl Hotel gehört?“
Ich schüttelte den Kopf.

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