11.01.20

Daniel hörte sich alles geduldig an, wie es Alex wahrscheinlich genauso bei Neil getan hat und dann bin ich vor Erschöpfung auf der Couch zusammengekrümmt eingenickt. Frierend und verspannt bin ich dann zu mir gekommen und habe vergeblich den Schlaf gesucht.
Warum nur erwischt es immer die Schlagzeuger als erstes?

Mir ist danach auf meine Töpfe einzudreschen, aber ich kann die Signature-Drumsticks heute unmöglich anfassen. Es geht einfach nicht. Ich habe auch versucht Neil-Videos anzusehen, aber es tut einfach zu sehr weh, ich dehydriere sonst. Also habe ich mir eine Platte aufgelegt, das halte ich so gerade eben aus.
Der Nachbar beschwert sich klopfend über die Lautstärke. Er mag die Clockwork Angels wohl nicht, auf der ich nach versteckten Hinweisen auf seinen Gesundheitszustand suche. Und wenn man von so zuhört, findet man in jedem Song welche. Aber das ist alles Einbildung. Sind nicht auch das zwei Züge auf unterschiedlichen Gleisen? Jeder Beobachter des jeweils anderen, denen man warum noch mal nicht trauen darf? Wollen wir nicht alle lieber in der Rakete sitzen, in der wir nicht älter werden, als hier dem Tod geweiht zu sein?
Mir tun noch immer alle Knochen von der Couch weh und der Hals ist jetzt steif. Prompt fühle ich mich selber krank. Wie viele Jahre bleiben mir denn noch? Es scheint immer das Frühjahr zu sein, in dem es die Großen erwischt. So viele sind in den letzten Jahren gegangen: Bowie, Prince, Cornell … das erzählt auch etwas über das älter werden. Wenn der Punkt kommt, an dem man mehr Musik von Toten als von Lebenden hört, dann ist man alt.
Die Platte ist aus und ich ertrage die Stille nicht. Zur Hölle mit den Nachbarn.
„Say hello to heaven“ – Und schon verschwimmt mir wieder alles vor den Augen. Aber es hilft ungemein, wenn man mit Chris um die Wette schreit. Als mir die Puste ausgeht gehe ich im T-Shirt raus auf den Balkon rauchen, bis ich zittere.

Der erste Tote, an den ich mich erinnere, nach dem die Musik nie wieder so war wie zuvor, war Cliff Burton. Bei anderen Randy Rhoads, aber nach Cliff war Metallica für mich nie wieder gut. Dann Criss Oliva, Andrew Wood, Layne Staley – jeder Einzelne fühlte sich wie ein Todesfall in der eigenen Familie an. Vielleicht weil wir Metalheads dem Tod als Thema nie ausgewichen sind, und die Bands ihrer Trauer ja ebenso wenig.
Einige sind über den Verlust nie richtig hinweg gekommen, Jon Oliva oder Jerry Cantrell etwa, und ihre Songs haben bei allem Schmerz etwas tröstliches an sich. Sie tun erst gar nicht so, als könne man einfach wieder zum Alltag übergehen, und niemand sagt ihnen, jetzt lasst es doch mal gut sein. Nein, wenn die Trauer kommt, hören wir ihnen zu. Auch als Fan lässt der Schmerz nicht nach, man erinnert sich zusammen mit den zurück gebliebenen, und singt die Songs der Verblichenen weiter. Da steckt Unsterblichkeit im Temple of the dog. Es bleibt alles in der Familie. So wie auch Iron Maiden ihren alten Gitarristen zurückkehren ließen, ohne dessen Ersatzmann zu feuern. Sie spielen seitdem halt mit drei Gitarristen. Das macht mich auf eine Weise sentimental, die mich jetzt schon wieder zu Tränen rührt.

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