08. Dezember 2019 – frei

Dann hörten wir noch ein bisschen Musik bei Monika aus der offenen Autotür, bis sich Lukas Sorgen um die Batterie machte. Zum Abschied tauschten wir Kassetten, wir bekamen das Livealbum 101 von Depeche Mode für die Rückfahrt, und die beiden eins mit „Ein kleines bisschen Horrorschau“ von den Toten Hosen auf der einen, und der ersten Mudhoney auf der anderen. Was war ich froh mal eine Weile nichts mehr von Alex hören zu müssen. Für Rush waren sie nicht zu begeistern gewesen, was ich ihnen ein bisschen übel nahm. Dafür war ich ihnen im Umkehrschluss später dankbar dafür, dass sie uns keinen Ostrock angedreht hatten.

Wir verließen die noch nicht wieder Hauptstadt als Weltmeister. Das hatte uns gerade noch gefehlt. Ja, Karl-Heinz wir waren urplötzlich „auf Jahrzehnte unschlagbar“ geworden, und mir lief es der Sommerhitze zum Trotz eiskalt den Rücken runter.
Die Mauer ist jetzt länger weg, als sie gestanden hat. Das ist so irre. Es fühlt sich für mich und meine Generation nur nicht so an, geschweige denn für meine Mutter oder Dr. Heßler. Für Clara und Dennis ist es schon wieder genau umgekehrt, die können sich die Mauer nicht mehr vorstellen, das bildet der Mauerpark genauso wenig ab wie die Bilder in den Geschichtsbüchern oder historische Filmaufnahmen. Wir waren dabei, und haben weg gesehen. Alle waren wir überfordert, die Volkspolizei, der Staat, seine Bürger.
Und wo war die Jugend hin, die dem sich anbahnenden Wahnsinn hätte widersprechen können? Die schwitze sich ebenso tanzend in den Kellern der Hauptstadt die Seele aus dem Leib, so wie ich und Lukas es in den Clubs bei Metal und Hard-Rock Konzerten taten. Wir wollten mit alldem nichts mehr zu tun haben, weder mit Politik, Begrüßungsgeld, Währungsunion, oder Bananenschalen in blühenden Landschaften, auf denen wir gerade alle in Zeitlupe ausrutschten.

War noch mit Mutter spazieren und hab eingewilligt, dass sie mir ein Date mit der Yoga Lehrerin anleiert. Das fühlt sich jetzt schon wie ein Fehler an, ich hätte besser nicht auf Tina hören sollen. Oder ich hätte es ihr weniger witzig erzählen müssen, dabei war es gar nicht als Witz gedacht. Wie gesagt, ich kann keine Witze erzählen. Aber wie hätte das auch anders rüber kommen können, als witzig?

© Jens Prausnitz 2022

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