08. Dezember 2019 – frei

„Damit seid ihr hergefahren?“, staunte Günni. „Mutig. Was ist das denn für ein Baujahr? 70er, oder?“
„Vierasibzge“, präzisierte Lukas zwei perplexen Gesichtern.
„Vierunsiebzig“, übersetzte ich. „So lang hat sich auch die Reise hierher angefühlt.“
„Sieht gut gepflegt aus, unter der Farbe da.“
„Wann’s woids, dann foarn mia eich moagn hoam“, schlug Lukas vor, und ich nickte einwilligend. „Mia kennan a via Thüringen zruck foarn.“
„Danke, aber das ist keine gute Idee.“
„Wieso ned? Des packt’d Monika scho.“
„Es ist nicht wegen dem Trabi, sondern…“, Lutz sah hilfesuchend zu Günni.
„Wir sind hier selber auf Urlaub.“
„Laft’s a vor den Spießern in der Provinz weg?“
Sie schüttelten die Köpfe. „Vor unseren Nazis.“
„Was für Nazis?“ Ich dachte, ich hätte mich verhört.
„Na die, die überall aus ihren Löchern gekommen sind, mit denen uns alle allein gelassen haben.“
„Und ein paar aus dem Westen sind jetzt auch dabei“, warf Lutz ein. „Scheiße“, entfuhr es mir.
„Das kannste laut sagen.“
Lutz und Günni waren sich sicher, dass das die Kehrseite der Fluchtbewegung in den Westen gewesen sei. Jetzt saßen sie mit den Glatzen alleine da, und die Polizei hatte schon damals begonnen aufzugeben, nicht erst Jahre später. Eigentlich hatten wir uns auf Anhieb gut verstanden, aber eine gewisse Zurückhaltung ihrerseits blieb, und das konnten wir ihnen nicht verübeln. Wir fuhren ja auch wieder in den Westen zurück, und ließen sie in Gera und all den anderen uns unbekannten Städten allein, deren wir Namen wir bald lernen sollten.
„Wie ko des denn sei?“
„Wir hatten keine Demokratie, sondern die SED – schon vergessen?“ „Ja und? Mia hom’d CSU, des is sogar no schlimma“, bleckte Lukas
wütend zurück.
„Willst du uns verarschen?“ Günni fühlte sich auf den Arm genommen.
„S is doch a so: wann’s bei eich 99% gwöid ham, da hod a jeda gwusst, des des glong is.“Beide nickten, Lutz verschränkte aber seine Arme vor der Brust. „Und bei uns had’d CSU immer etwas über 51% der Stimmen. Da glaubst immer, das goa ned fui fehld“, erklärte Lukas. „Nua no oane Legislaturperiode, und dann isser fuat, der Kini. Die CSU is bei uns scho länger an der Macht, ois de SED bei eich je woa.“
Günni pfiff anerkennend durch die Zähne.
„Von wegen: Viele, viele Bundi [!sic] Smarties“, sagte Lutz.

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