22.02.20

In den 80ern hörte ich zum ersten Mal die Rufe „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus.“ – da lebten bereits Gastarbeiter in zweiter und dritter Generation bei uns. Ist das Brüderlichkeit? Wenn einem der weiße Bruder Old Shatterhand den Kopf einschlagen will? Sind das vielleicht die christlichen Werte, die das Abendland verteidigt, in der Tradition des Totschlags à la Kain und Abel?

Als die ersten Asylanten nach Vilshofen kamen, wurden keine Kuchen gebacken. Da herrschte Angst. Also bevor sie kamen. Besonders davor. Als dann grinsende Schwarze mit strahlend weißen Zähnen über den Stadtplatz liefen, verschwand die Angst langsam. Sie taten einem nichts außer zu grüßen, und dann ging das Leben eben weiter, wie diese neuen Fremden an uns vorbei. Im Vergleich dazu hatte die Euphorie für die DDR-Flüchtlinge beinahe etwas scheinheiliges. Die war ja echt. Unsere Überraschung war aber deswegen so groß, weil wir den Fernsehbildern zum Trotz damals wohl doch eher mit Dunkelhäutigen gerechnet haben. Ich glaube einzig Uwe hat da im Kopf längst keinen Unterschied mehr gemacht. Bei vielen blieb das hängen, auch bei mir. Anderen zu helfen, die sich helfen lassen wollen, ist eine unwiderstehliche Droge, von der ich seitdem nicht mehr losgekommen bin.
Apropos, ich brauch jetzt eine Kippe, wenn ich schon keinen Nazi anzünden darf.

Dieses Mal werden wir nicht mit Lichterketten davon kommen. Das hat mich 1992 schon gewundert, dass das tatsächlich Wirkung zu zeigen schien. Dabei zogen sich die Rechten nur zurück, es wurde stiller um sie, aber sie waren nie wirklich weg. Das beängstigende jetzt ist, dass die Bürgerlichen selbst ganz vorne mit dabei sind, ohne es zu merken. Selbst dann nicht, wenn sich sich einsam und allein an ihren Posten als Ministerpräsident klammern, wie der tapfere gelbe Gollum in Thüringen. Sitzt da in seinem Büro im Chefsessel und wiederholt immer nur diesen einen Satz: „Die Regierung bin ich, ein Ring der nie gelungen.“
Es ist nicht mehr nur der Max am Stammtisch, den keiner nach der dritten Maß noch ernst nahm, wenn er wieder mal über die Juden her zog. Den haben sie sitzen lassen und ihm noch ein Bier bestellt. Heute ruft Max das auch, wenn er nüchtern ist und bastelt selbstgemachte Sprengsätze für Feiertage, die er bis vor kurzem gar nicht kannte. Juden, Moslems, Sinti, Roma, danach zum Abendbrot bei seiner Oma.
Es fehlt nicht mehr viel, bis die Fackelärsche wieder marschieren, und wir kriegen derweil nicht einmal mehr diese neuen Teelichter ein zweites Mal angezündet.

© Jens Prausnitz 2023

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