Ich begleitete Mutter noch nach Hause, und beim Verabschieden sagte sie noch etwas, das ich vergessen hatte: „Du hast ihm aber noch etwas zu verdanken. Deinem Vater.“
„Was denn?“
„Das Schlagzeug spielen.“
„Aber du hast mir doch das erste Kitt besorgt?“
„Ja, damit du nicht noch mehr meiner Töpfe kaputt machst, und die Kissen wieder auf der Couch landeten.“
„Daran erinnere ich mich schon, und das war wegen Vater?“
„Ja. Du hast so deine Wut kanalisiert. Darum habe ich dich auch gelassen. Der Lärm war dabei nicht das Problem, eher das dabei ständig was zu Bruch ging. Und überall roch es nach Waschpulver, weil du die Papp-Tonnen umgedreht hast.“
„Oh ja, die waren toll!“
„Als du damit aufgehört hast, habe ich gedacht, dass du die Wut auf deinen Vater endlich hinter dir gelassen hast. In Vilshofen.“
„Das habe ich auch gedacht, aber das hatte nichts mit dem Schlagzeug zu tun. Ich hab es doch nur bei Lukas gelassen.“
„Ja, aber nie nachgeholt. Der hat’s bestimmt inzwischen verhökert.“ „Das würde er nie tun.“
„Bestimmt?“
„Niemals. Außerdem habe ich damals gedacht, ich hätte Vater schon überwunden. Mit der Therapie, dem Tagebuch und allem. In Aachen fing es dann wieder an. Erst wollte ich ihm schreiben, aber das war einfach nicht richtig.“
„Wieso hast du nie etwas gesagt?“
„Geschämt habe ich mich dafür. Ich wollte dich nicht schon wieder damit traurig machen.“
„Ach Junge.“ Sie strich mir zärtlich über die Wange, was ich sonst hasste, jetzt ließ ich es zu.
„Ich glaube das Problem war, dass nicht nur das Gewehr, sondern auch Vater aus Balsaholz geschnitzt war.“
Mama lachte endlich. Dann fiel ihr etwas ein und sie zählte mir Geld aus ihrem Portemonnaie ab. „Übrigens, hier sind 136 Euro und 64 Cents.“
„Danke.“ Stirnrunzelnd nahm ich das Geld entgegen. „Habe ich dir das ausgelegt?“
„Du wolltest die Sachen aus der Kiste loswerden, schon vergessen?“ „Das hast du verkauft?“
„Das wolltest du doch?“
„Ich wollte es mir überlegen hab ich gesagt. Oder gedacht, ich…
war da die vielleicht die ‘Birdy’ DVD dabei?“
„Weiß ich nicht mehr. Eine paar DVDs auf jeden Fall.“
„Mist, ich weiß nur, dass ich sie an dem Tag mehrmals in der Hand hatte. Trotzdem danke, irgendwie… wenn ich nicht so voll wäre, würde ich dich glatt zum Essen einladen.“
Es tat gut, dass wir uns ausgesprochen hatten. In mir löste sich ein Knoten, der da schon viel zu lange gesessen hatte. Viel zu lange hatte ich daran festgehalten, und jetzt hatte ich ihn endlich ziehen lassen.