„Ein Holzgewehr?“
„Ja, es war nie weiter als eine Armlänge von dir weg, weder im Bett noch in der Badewanne.“
Ich grübelte und leise regte sich die Ahnung einer Erinnerung in mir. „Aus Holz sagst du?“
„Ja, aber ganz leichtem, weichen Holz. Das konnte man fast mit den Fingern eindrücken. Deswegen ist es dir dann auch zerbrochen.“ „Konnte man es nicht reparieren?“
„Ich hab’s versucht, Opa auch, aber es hat nie lange gehalten, und du konntest nicht mehr so damit spielen, wie vorher. Dann hast du’s eines Tages einfach gelassen. Weil… war halt nicht mehr zu ändern.“
„Da war Opa noch bei uns?“
„Ja, aber auch nicht mehr lange“, seufzte Mama. „Dein Vater wollte es dir noch anmalen, aber so lange hast du es nie aus der Hand ge – -“
„Balsaholz! So hieß es. Kann das sein?“
„Möglich. Ich weiß es nicht.“
„Mama, was ist?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich hab mich oft gefragt, ob es nicht doch ein Fehler war, dass ich ihn nicht wieder rein gelassen habe.“
„Das war besser für uns beide.“
„Es tat mir weh, wenn du über ihn sprechen wolltest. Obwohl ich es verstand, obwohl ich wusste, wie sehr dir ein Vater fehlt.“ Ihre Augen wurden glasig. „Ich hab alles für dich getan, und deine Gedanken wanderten doch immer wieder zu ihm, dem Abwesenden. Es war als wäre ich unsichtbar für dich, egal was ich tat.“
„Aber das stimmt nicht!“
„Später, als du älter warst nicht. Vorher war es… anders.“
Ich wollte etwas antworten, bremste aber meine Zunge, denn ich spürte eine Wahrheit in ihren Worten, auch wenn ich sie noch nicht begriff. Da war etwas wahrhaftiges, ob sie es richtig ausdrücken konnte, oder nicht, und selbst wenn es nicht mit Worten heraus kam, kam es doch aus ihr heraus, ans Licht.
„Es war schon schlimm genug, dass die ganze verdammte Stadt mich anguckte, als sei es meine Schuld gewesen. Dabei war ich doch diejenige, die geblieben ist, nicht er.“
„Deswegen sind wir ja auch endlich von dort weg gegangen.“
Sie nickte. „Ich bin Daniel rückwirkend so dankbar, weißt du? Danach ist es dir leichter gefallen, obwohl du wegen Lukas lange ein schlechtes Gewissen hattest.“