„Sind die Alpenveilchen nicht wunderschön?“, freute sich Schwester Anita. Alpen! Das war’s, nicht Berge. Aber ich bin ja auch kein Skifahrer.
Schwester Irmgard auf der 4 hat sich kurzfristig krank gemeldet und ich muss heute Stationen springen.
„Wer denen wohl in der letzten Woche gut zugeredet hat?“
„Ich hab gehört die würden sich gerne was vorjodeln lassen.“
„Ha ha“, grinste Schwester Anita. Sie ließ sich von mir nicht provozieren und freute sich an der rosa Überraschung. Ich klemmte mir das Tablet unter den Arm, verschwand auf Station 4 und steckte zur Abwechslung mal dort meine Nase in das Geschreibsel.
Ob der Goldhammer heimlich Kreide schniefte? Wenn ja, dann bestimmt als wir die Parkplätze beschriftet hatten. Das war Lukas’ Idee gewesen, weil er „Vorwärtseinparker“ nicht ausstehen konnte. Ein Auto müsse so geparkt werden, dass man immer sofort damit losfahren könne, und da ließ er nicht mit sich diskutieren.
Aber Goldhammer stieß sich ja am entstellten Asphalt. Da galt es herauszufinden, ob dieses Attentat auch noch mit Schuleigentum begangen wurde. Zuzutrauen war es ihm, dass er Proben vom Asphalt kratzte und später unter einem Mikroskop verglich. Er war ja Chemiker, und ich sah ihn schon Proben in Reagenzgläsern mit einer Flüssigkeit aus einer Pipette versetzten. Danach lief er halb paranoid durch die Schule, die von Kreidespuren geradezu verseucht war. Jedem klebte das Zeug irgendwo an den Klamotten oder am Schulranzen, jeder hatte früher oder später Tafeldienst und so waren in seinen Augen alle als schuldig anzusehen.
Wir hatten „Goldröhrling“ auf seinen Parkplatz geschrieben. Ja, das war sicher nicht nett, aber sogar ein essbarer Pilz. Dem Lateinlehrer Sattler hatten wir aus Gründen „(Echter) Knoblauchschwindling“, und dem Geiger „Panzerrasling“ auf die Stammplätze ihrer Autos geschrieben, und die hatten einfach darüber geparkt, wie sonst auch, der Regen würde sich schon irgendwann darum kümmern. Ehrlich gesagt waren die Pilze allesamt genießbarer, als die darüber parkenden Lehrer.
Goldhammer war der einzige gewesen, der nicht auf seinen Parkplatz fuhr, sondern davor stehen blieb, als sei da jetzt ein Pentagramm, und der Teufel persönlich materialisiert, unsichtbar, aber auf ihn wartend. Die Polizei wollte deswegen nicht anrücken, von den Anwohnern kam auch nichts, und so stand er da, vor seinem verschandelten, entweihten Parkplatz.
Also musste Elvis ran und es wegschrubben, wahrscheinlich mit einem Spritzer Weihwasser im Putzeimer, das Goldhammer immer mit sich herum trug, für alle Fälle, wenn ein spontaner Exorzismus durchzuführen wäre. Das war jetzt der Fall, und er natürlich vorbereitet. Aber Proben davon hortet er bestimmt irgendwo, denn verjährt war die Sache für ihn bestimmt bis heute nicht.
Verdammt, jetzt war ich auf der 3 und hab mit Schwester Anita eine Neuaufnahme versorgt, dann setzte ich mich zum Schreiben hin und hatte vergessen das Tablet von der 4 wieder mit rüber zu nehmen. Zu meinem Glück war Schwester Anita so angespannt, dass ich immerhin nicht mit ihr reden musste, und schnell wieder verschwinden konnte.
„Aber du hast deinen Tee noch nicht mal angerührt.“
Ach. Wieso musste sie den auch wieder mitbringen? Hätte ihn doch in der Zwischenzeit Zuhause aufbrühen können.
„Ich trink den auch gerne kalt“, log ich und machte mich dünne, ehe sie etwas darauf einwenden konnte.