01. Oktober 2019

Es gehörte jedenfalls mehr dazu, als politisches Kalkül, um mal eben den Wochenmarkt vom Bergerparkplatz auf den hinterm Gymnasium zu verlegen. Der erste Impuls war sicher ein rein menschlicher. Und irgendwann ging es dann doch wieder ums Geld, und die lachenden Gesichter waren eine Sache von gestern, und der verschobene Markt wollte auf seinen angestammten Platz zurück.

War eben im Bad pinkeln, hab natürlich vergessen, dass da der ganze Krempel aus dem Kühlschrank vor der Badewanne steht, und mich beinahe auf die Fresse gelegt. Bin dann wie ein Storch drüber weg gestakst, und auf dem Rückweg in der Küche mit einer Socke plötzlich im Wasser gestanden. Hab nicht genügend Handtücher vor den Kühlschrank gelegt. Schreib ich halt barfuß weiter.

Worüber man im Lager damals auch stolperte, waren Leute, die dort eigentlich gar nichts zu suchen hatten. Zum Beispiel neugierige Mitschüler, die einen Kasten Bier und Schokolade ranschafften und sich zu den Leuten ins Zelt setzten, aber wir nickten einander nur grinsend zu. Problematisch waren Arbeitgeber, die auf eigene Faust nach neuen Angestellten suchten. Und das nicht nur von Baufirmen aus der Gegend, sondern aus dem ganzen Land: vom Arzt über Krankenschwestern bis zum Handwerker wurde alles gesucht, und fast immer auch gefunden. Betriebe, die seit Monaten und Jahren offene Stellen hatten, Anzeigen schalteten und jetzt so verzweifelt waren, dass sie nach Niederbayern fuhren, in der Hoffnung dort Arbeitswillige zu finden. Arbeitgeber, die sich selbst auf den Weg machten. Im Auto. Von heute aus betrachtet erscheint das komplett irre. Wahrscheinlich ginge das über Twitter und Facebook ebenso direkt, aber 89 nahm man die Sache selbst in die Hand. Wie ein Drive- thru Arbeitslager zu Discount-Preisen.

Da fragte ich mich zum ersten Mal, was unsere Arbeitsämter eigentlich beruflich machen. Die kriegten sich auch nach mehrmaligem Ersuchen vom Gschwendtner nicht dazu was auf die Beine zu stellen, dass wenigstens die zukünftigen Arbeitnehmer vor Knebelverträgen geschützt hätte. Tags darauf sollte das für die Entscheidung sorgen, das Lager für Unbefugte zu sperren, und zwar ganz. Ich meine bei uns im Lager, in der Stadtverwaltung, bei Radiosendern und der Zeitung bimmelte ständig das Telefon mit Leuten am anderen Ende der Leitung, die Arbeit zu vergeben hatten, oft sogar schon mit einer Wohnung dabei. Da wunderte ich mich, wieso die BRD eine Arbeitslosenquote von 5% hatte, wenn es gleichzeitig so viel Angebot gab. War da nicht was, mit Markt und so? Sollte sich das dann nicht alles selbst regeln? Zu gern hätte ich damals wie heute begriffen, was da schief lief. Oder wo.

Bis mir Lukas erzählte, wie er nach dem Bund beim Arbeitsamt mit dem Berufswunsch Musiker vorstellig geworden war: Während er dort wartete, hörte er wie hinter den verschlossene Türen unter gedämpften Gelächter Kuchen verteilt und mit Geschirr geklappert wurde. Als er endlich an die Reihe kam, versuchten sie ihn dann an ein Sägewerk zu vermitteln. Da wurde mir so einiges klar. Es gibt Staatsdiener, und dann gibt es Beamte. Die einen nehmen ihren Job ernst, die anderen sind für nichts zuständig und horten Kuchengabeln in der Schublade. Da bläht sich ein Apparat auf, der zu wenig anderem nützlich ist, als sich selbst zu erhalten und andere Menschen endlos zu gängeln. Sicher ist auch das ein Klischee, denn in jedem Beruf gibt es Leute, die sich für die Sache aufreiben, für andere mit arbeiten (sogenannte Mitarbeiter), und dann eben solche, die nur eine ruhige Kugel schieben: ihren Bauch. Oder nicht einmal das.

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