01. Oktober 2019

Dass jetzt plötzlich „die von drüben“ einen Job bekamen, passte natürlich einigen bei uns auch wieder nicht in den Kram. Wieso kriegten „die da“ jetzt Wohnungen und Jobs, während man selbst tagein, tagaus nur am rummeckern war? Gäbe es Meckern als Beruf, wären Deutsche Weltmarktführer. Komischerweise werden aber lieber Leute eingestellt, die den Job machen ohne lange zu quatschen. Menschen, die alles stehen und liegen gelassen haben, um hierher zu kommen, wo andere der Weg von der Couch zum Kühlschrank schon zu weit ist. Ausgerechnet diese „real existierenden Sozialisten“ waren die Verkörperung des neoliberalen Ideals: bereit den Wohnort zu wechseln, konnten überall neu beginnen, wenn es der Job erforderte, und verzichteten auf die im Westen mühsam erstrittenen höheren Löhne, Betriebsräte oder Gewerkschaftsmitgliedschaften – und all das mit einem Lächeln! Schlug man das einem tranigen BRD Arbeitnehmer vor, ging denen langsam ein Licht auf. Natürlich reagierten die nicht mit größerer Flexibilität auf die neue Situation, sondern mit dem Wunsch, die Neuankömmlinge mögen sich doch bitte wieder hinter ihre Mauer verziehen. Da durften sie sich gerne weiter von Ikea und Co. ausbeuten lassen, und unsere günstigen Möbel und Strumpfhosen herstellen, Hauptsache sie blieben drüben und störten nicht unsere Ruhe. Die Neubürger aus der DDR erwiesen sich als leichter integrierbar, als so manche alteingesessene, krumme, gelb-schwarze BRD-Banane mit rotem Kopf. Unsere Arbeitgeber hatten Blut gewittert, wie Haie kamen sie sogar noch aus Flensburg angeschwommen.

Die Kehrseite der Medaille war dann, dass wenige Tage später die DDR Ärzten die Ausreise untersagte. Eine ganze dort ausgebildete Generation drohte in den Westen abzuwandern. Welcher Staat würde da nicht in Panik verfallen? Man kriegte beinahe Verständnis für die DDR Oberen, denn wer sollte die tapferen Montagsdemonstranten in Leipzig und anderswo dann verarzten, wenn der Staatsapparat sie zusammenknüppeln wollte? Es kämpften ja auch Leute für den Wandel drüben, und jetzt wurde die Luft dünne. Vielleicht war es aber auch genau dieser Umstand, der das Zuschlagen des Staates verhinderte. Das eine wäre ohne das andere nicht möglich geworden. Die Flüchtlinge fielen nicht den jetzt vor Ort für mehr Rechte Kämpfenden in den Rücken, sondern hielten ihnen unverhofft sogar den Rücken frei.

Eben hab ich genießt. Meine Beine sind inzwischen eiskalt, allen voran die unbesockten Füße. Hätte ich mal die eine Socke angelassen und ab und zu auf den anderen Fuß gewechselt. Oder gleich ein neues Paar angezogen. Ob das schon gereicht hat, mich zu erkälten? Na ja, so lange es kein Virus ist, das ich versehentlich mit aufgetaut habe, sollte es passen. War das jetzt eigentlich das erste Mal, dass ich den abgetaut habe? Als ich hier eingezogen bin, habe ich doch den Kühlschrank vom Vormieter übernommen. Wenn der und auch der vor ihm… reicht das womöglich weit zurück, vielleicht sogar bis zur Spanischen Grippe? Auftauen oder nicht auftauen, dafür ist das hier jetzt eh zu spät, ich lasse mir erstmal ein heißes Bad einlaufen.

Hätte es die DDR nicht gegeben, man hätte sie erfinden müssen. Der billigen Arbeitskräfte wegen. Und wenn ich so darüber nachdenke, dann erscheint mir Hartz IV jetzt auch in einem ganz anderen Licht, dass mich frösteln lässt.

Schreibe einen Kommentar

Schön, dass Sie kommentieren wollen, herzlich Willkommen! Vorher müssen Sie allerdings noch der Datenschutzerklärung zustimmen, sonst geht da nix. Danach speichert die Webseite Ihren Namen (muss gar nicht der sein, der in Ihrem Ausweis steht), Ihre E-Mail Adresse (egal ob echt oder erfunden), sowie Ihre IP-Adresse (egal ob echt oder verschleiert - ich hab keine Ahnung, ob Sie von Zuhause oder aus einem Internet-Café schreiben). Anders ist es mir nicht möglich zu gewährleisten, dass Sie hier kommentieren können, worüber ich mich sehr freue - denn es ist sehr frustrierend mit den mich sonst erreichenden, meist verwirrenden bis sinnfreien Werbebotschaften allein gelassen zu werden. Vielen Dank dafür, dass Sie da sind!

Noch ein kleiner Hinweis: Kommentieren Sie zum ersten Mal, erscheint Ihr Kommentar erst nach einer Prüfung des Inhalts, einzig um Spam von der Seite fern zu halten, in der Regel dauert das nicht länger als 24 Stunden - dabei handelt es sich nicht um Zensur, sondern um das limitierte Zeitfenster der berufstätigen Person hinter diesem Blog, die Ihnen den ganzen Krempel gratis zur Verfügung stellt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, und auf zur Checkbox.