11. November 2019

Statt aufzuräumen Musikvideos geguckt. Also alte aus den 80ern. Endlich nicht mehr warten müssen, und alles nur noch einen Klick entfernt. Das macht mich glücklicher, als es sollte, und widerspricht eigentlich dem, was ich eben geschrieben habe. Das kommt aber nur von dem Formel-1-Trauma von Illmann, Lück, Tücking und dann Böcking regelmäßig enttäuscht zu werden. So tief sitzt das immer noch. Nur bei „Thriller“ war es mal spannend gewesen, das war gefühlt in der ersten Reihe sitzen.
Ach, das „White Wedding“ Video habe ich ewig nicht gesehen. Ob Billy Idol sich das mit der verzogenen Lippe von Sylvester Stallone abgeguckt hat? Wie heißen die eigentlich richtig? Also auf ihren Steuererklärungen? Muss mal nachschauen: William Michael Albert Broad. Bitte was? Ok. Der andere Michael Sylvester Gardenzio Stallone. Gardenzio? Wie toll ist denn das bitte! Trotzdem war es vielleicht ein Fehler, dass Daniel Daniel geblieben ist.
Eben auf dem Balkon darüber nachgedacht, wie ich mich nennen würde, wenn ich die Wahl hätte. Meinen Vornamen habe ich ja lange nicht leiden können. Dafür kann er nichts, ist halt nur ein bisschen langweilig. Der Hans, die Johanns waren in Niederbayern schon immer beliebt gewesen, und sind es noch. Und das war immer noch besser als Johannes, Oliver oder Jens. Trotzdem wäre mir etwas originelleres lieber gewesen, seit sich im Kindergarten immer mehr als ein Kopf umgedreht hatte. Sogar die Kindergärtnerin war origineller gewesen, um uns auseinander zu halten: bei ihr wurden wir zu Johann Schniefnase, Johann Zahnlücke und Johann Schwarzfuß, nur dass sie schon ein paar Tage später gänzlich auf die Vornamen verzichtete. Das war kürzer, bald danach ließ sie noch mehr weg, und übrig blieben Nase, Lücke und Schwarz.
Wenn ich mir als Kind einen Namen hätte geben können, wäre es wahrscheinlich Rambo oder Luke Skywalker geworden, oder wenigstens Luke, dabei hätte ich den Han sogar im Namen gehabt. So kurzsichtig kann auch nur ein Kind sein. Luke Mayr. Aber niemand würde es mit stummen ‘e’ aussprechen. So blieben mir immerhin die Rückfragen erspart. Beim Vornamen. Und ehrlich gesagt bin ich mit Mayr heute glücklicher, als ich es mit Skywalker jemals gewesen wäre. Selten dämlicher Name, der nur so lange gut klingt, bis man Englisch lernt. Weg ist die Exotik, und übrig bleiben die gleichen profanen Inhalte.
Aber sie hätten mir Johann auch als zweiten Vornamen geben können, den ich dann lässig mit einem “J.” abgekürzt hätte. Der Nachfrage wofür das stehe wäre ich dann vielsagend ausgewichen, als sei es ein Geheimnis. James? Nur ein müdes Lächeln. Jakob? Ein irritierter Blick. Jeevan? Jaime? So viele Möglichkeiten.
Allerdings wäre das Problem des ersten Vornamens geblieben. Wie machen Schriftsteller das eigentlich? Würfeln die oder was ist ihr Geheimnis?
Johann war die Idee meines Vaters gewesen, von wegen Tradition und so. Als wäre es dann kein Bruch mit der Tradition gewesen sich aus dem Staub zu machen, wenn das Vater sein zu anstrengend wurde.
Alltägliche Fluchten, wie in den Job, den Verein, oder das Wirtshaus hätten es doch auch getan – musste es denn unbedingt die “ich komm nicht wieder” Fraktion sein?
Als ich dann nicht nur von der Kindergärtnerin, sondern auch von Spielgefährten und Freunden Spitznamen bekam (Jo, Hansi, Hansee und so weiter), wurde es besser, weil ich begriff, dass ein Name gar nicht so festgeschrieben ist, wie er auf den ersten Blick scheint.
Aber um langfristig meinen Frieden damit machen zu können, brauchte ich etwas anderes, ein Vorbild. Ich brauchte wenigsten einen Johann, mit dem ich was anfangen konnte. Nur einen. Goethe? Hallo? Danke, der Nächste! Einer mit dem ich auch was gemeinsam habe, ein Hobby oder so. Bach? Nee, zu alt. Strauss? Maaaann, immer noch zu alt, wie wäre es denn wenigstens mit einem Musiker aus dem letzten Jahrhundert? Hölzel? Ha ha, ja genau mein Punkt.
Aber das ging alles am eigentlichen Problem vorbei. Denn ich suchte nicht wirklich eine bessere Bedeutung oder Assoziation für meinen Namen. Was daraus würde, lag ja einzig und allein an mir, an dem was ich tue, und nicht an dem was andere namhafte Johanns irgendwann mal vor mir getan haben. Ich würde meinen Johann neu bespielen, aufladen, mit allem, was ich tue. Und jetzt gehe ich erstmal raus.

Spazieren gegangen, gestolpert.

© Jens Prausnitz 2022

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