07. September 2019

Das sie Ruhephasen benötigen, sehen sie noch immer nicht ein, deswegen bremse ich sie so gut ich kann in ihrem Alltag aus, versuche ihnen darin Zeitinseln zu verschaffen. Und ich hab den Verdacht, dass ist einer der Gründe, weshalb sie so gerne mit mir sprechen, weil sie mit mir für einen Moment aus der Zeit fallen. Mit Eltern geht das schlecht, und ich hab es da ja leicht, mit meinem Blick von außen. Wir quatschen vielleicht einmal die Woche miteinander für ne Stunde, sehen uns in den Ferien, oder mal ein verlängertes Wochenende damit Nadja und Daniel allein wegfahren können, und das war’s auch schon. Ihr Unterbewusstsein lenkt sie zu mir, und das macht mich auf eine Art und Weise glücklich, die ich nicht beschreiben kann.

Haben wir nicht auch versucht die Welt zu retten? Die Probleme sind ja nicht neu, sondern nur noch größer geworden. Wir auch. Und müde. Unsere Widerstände zerschellten an Zäunen und vor Wasserwerfern in Wackersdorf und anderswo, den verzerrten Bildern unserer Proteste in Presse und Fernsehen konnten wir nichts entgegen setzen, außer unserer ohnmächtigen Wut vor den Bildschirmen. Vielleicht noch einen Leserbrief schreiben, der nie gedruckt wird, oder ein Flugblatt erstellen, das dann niemand lesen wird. Heute senden sie selbst live von der Demo, haben ihre Lehren aus dem Arabischen Frühling und den Hongkong-Protesten gezogen, wissen einander zu helfen und sich zu organisieren. Es ist auch viel internationaler, vernetzter geworden. Dabei ist ihnen glaube ich noch nicht einmal bewusst, wie viel besser das ist, im Vergleich zu allem, was wir erlebt haben, dass ihre Ausgangslage viel aussichtsreicher ist, als unsere je wahr. Aber sie kennen nur das jetzt, ihr Weg beginnt erst hier, und das was wir erreicht – oder besser: nicht erreicht haben ist ihnen zu wenig. Sie sind nicht mehr zum Schweigen zu bringen, wie wir. Sie erinnern uns daran, wie wir einmal waren. Waren wir doch, oder?

An den Reaktionen auf die Proteste hat sich rein gar nichts geändert, aber diesmal wird er lauter, größer und geht nicht wieder weg. Das ist neu. So sehr mich das freut, so sehr fürchte ich, dass das dazu führen wird, dass sich auch die andere Seite etwas Neues einfallen lassen wird.

Unserer Generation wird ja die sogenannte „friedliche Revolution“ zugeschrieben, die dann angeblich zur Wiedervereinigung geführt hätte. Von dieser Etikettierung waren wir genauso verblüfft, wie überrumpelt. Wir waren viel zu beschäftigt und abgelenkt gewesen, um überhaupt auf die Idee zu kommen, dass wir irgendetwas damit zu tun haben könnten. Entschieden und gelenkt wurde das anderswo. Eine Revolution haben wir uns zwar schon davor gewünscht, aber daraus wurde nüscht, wie immer halt. Eigentlich sind wir sogar darum betrogen worden, wir haben uns einlullen lassen, alle zusammen. Das kommt davon, wenn man nur wieder seine Ruhe haben will, wie vor dem ganzen Zirkus, oder einfach nur raus in die Welt. Dann wachst du im Westen mit neuen Bundesländern auf, und im Osten wird ein Land in Windeseile abgewickelt, das auch den alten Bundesbürgern etwas zu bieten gehabt hätte, wenn es nicht so schnell unter den Teppich gekehrt oder verscherbelt worden wäre. Eine arrangierte Ehe, wo einer den anderen nicht kannte, und damit von schlechten Eltern.

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