Die Nachricht von seinem Tod hatte Daniel weniger mit Genugtuung, als mit Gleichgültigkeit entgegen genommen. Er war da schon nicht mehr auf der Flucht gewesen, beziehungsweise hatte mit größeren Sorgen in Berlin zu kämpfen, deswegen können sie doch jetzt endlich Lukas an ihrem Leben teilhaben lassen. Welcher Tod ihm wirklich nahe ging, war der von Talmüller, denn ihn hatte Daniel geliebt, und er ihn wie den eigenen Sohn, den er nie hatte. Und natürlich Valentin.
So gesehen, hatte ich es wirklich besser getroffen, aber ich war lange zu doof gewesen das auch zu begreifen. Manchmal ist etwas gar nicht erst zu haben besser, als eine schlechte Imitation.
Morgen gehe ich dann an der Oberkante der Kreidefelsen entlang, durch den Nationalpark. Da komme ich nicht in Versuchung mir die Füße zu verkühlen. Und hoffentlich denke ich auch nicht daran mich wie Birdy mit einem Flugapparat auf dem Rücken dort hinunter zu stürzen. Aber das Fliegen in den Träumen könnte ich gerne nochmal ausprobieren.
Dritter Tag
Ich hätte die Schokolade nicht selber anbrechen sollen. Heute Nacht war die blonde Frau nämlich einfach auf der Veranda, und nicht vor der Couch. Sie stand an einen der Stützbalken gelehnt da und sah auf’s dunkle Meer hinaus, das Mondlicht ließ den Rauch ihrer Zigarette leuchten wie im Film. Was sie wohl raucht? Waren das etwa meine? Nein, die lagen noch hier neben dem Bett auf dem Nachttisch. Ob das vielleicht eine Bestellung war, so wie bei der Schokolade? Ich wollte schon rausgehen und sie fragen, hab mich dann aber doch nicht getraut. Sie sah ohne mich besser aus, wie sie so da stand, da wollte ich nicht stören.
Angst hatte ich diesmal keine. Andererseits wollte ich sie aber auch nicht erschrecken, oder schlimmer noch: verscheuchen. Ich war froh, dass sie wieder da war. Nachdenklich guckte sie auf’s Meer, und doch ein bisschen wie auf dem Sprung, als würde ihr Schiff bald ablegen. Oder als würde sie auf jemanden warten, oder auf etwas. Dabei war sie ganz bei sich, oder einfach nur geduldig vielleicht? Als hätte sie für eine Weile vergessen die Sekunden, Tage und Minuten zu zählen. Gerne hätte ich sie zu einem Kaffee nach drinnen eingeladen, aber ich hatte ja nur lahmen Instant-Kaffee in Tütchen da, den ich vom Frühstücksbuffet hab mitgehen lassen. So blieb mir nichts anderes übrig, als ihrem Hinterkopf dabei zuzusehen, wie sie auf der anderen Seite aus ihm rausguckte. Aufs Meer. Darüber bin ich dann wohl eingenickt.
Jetzt sitze ich da und esse gerade den Rest ihre Schokolade zum Frühstück, obwohl ich mir ja heute frische Brötchen holen wollte. Ha ha, genau. Melancholie zergeht mir klebrig auf der Zunge. Sich einen Ans-Bett-bring-Bringdienst leisten zu können, das wär’s.