Dann auf dem anderen Donauufer, hoch über dem Fluss die beleuchtete Burg Hilgartsberg, oder was von ihr übrig ist – die hatte ich auch komplett vergessen! Dabei waren wir dort mehr als einmal mit den Fahrrädern gewesen. Die Plackerei die dort hoch zu schieben… und wie ich so nachdenke und die Donau glitzern sehe, kommt auch schon der Berger und ich packe meine Sachen.
Auf der Rückfahrt sind mir dann mehr Unterschiede zu früher aufgefallen. Die hatte ich in der Dunkelheit aber auch nicht sehen können. Gleichzeitig schärften die besten Brezen, die ich seit Jahren gegessen hatte meine Sinne. Knusprig und mit Biß außen, innen noch warm und weich, akzentuiert von dicken Salzkörnern. Ein Traum. Meinen Augen entging darüber nicht, was früher schon vereinzelt zu finden war, und jetzt so allgegenwärtig die Dächer zierte: Photovoltaik. Clara und Dennis wären Stolz auf diese Niederbayern. Dabei hat es bestimmt mehr damit zu tun, dass sie rechnen können, um langfristig zu sparen. Der Umweltgedanke spielt hier garantiert nur die zweite Geige, aber auch eine, wenn auch kleinere Rolle.
Am Bahnhof stieg ich aus, Gleis 2. Schnee hatte ich keinen erwartet, mir aber gewünscht. Es hätte einfach schöner ausgesehen, etwas eher einladendes gehabt, als diese neblige, nasskalte Dunkelheit. Mir war alles schlagartig vertraut, als wäre hier 30 Jahre alles still gestanden. Ach, was sag ich, 50 Jahre! Vertraut war mir auch, dass Lukas sich verspätete. Am Verkehr lag’s nicht, aber er hatte außerdem angekündigt mich zu Fuß abholen zu kommen.
Die anderen mit mir ausgestiegenen Fahrgäste waren schon in der Unterführung zum Gleis 1 verschwunden, und ich folgte ihnen langsam, während ich mich umsah. Da Lukas von der Ortenburger Straße kommen würde, konnte ich ihm ja ein Stück entgegen gehen. Als ich zu der Stelle kam, wo ich mit Doris und den Koffern gewartet hatte, drehte ich mich um, ob beim Gymnasium vielleicht diesmal weißer Rauch aufsteigen würde, Aber so weit konnte man im Nebel nicht schauen.
Das Bahnhofsgebäude war längst geschlossen, aber seit es den Fahrkartenautomaten draußen gab, habe ich es sowieso nicht mehr betreten. Dabei hat mich die Fensterscheibe mit der Schleusenschublade drunter immer fasziniert. Die sahen aus wie die Zaubertrickschachteln, deren volles Fach man innen arretieren konnte, so dass man triumphierend eine leere heraus ziehen konnte, die die erste umschloss. In die durfte man natürlich nichts hinein legen, aber hier war der Mechanismus ja ein anderer. Es galt zu verhindern, dass man hinein oder gar hindurch greifen konnte. Wie ein flaches, metallenes Maul, denn wer wusste schon, ob in der Mitte nicht ein Geheimfach Dinge verschluckte?
Und an noch etwas erinnerte mich dieses kleine Verkaufsfenster, in diesem riesigen Saal. An ein Kino. Auch dort gab es sehr ähnliche. Nur dass sich dann im Kino die Bilder vor einem bewegten, während im Gegensatz dazu das Zugfenster wie eine durch die Welt fahrende Leinwand war. Das eine verkaufte innere Reisen, das andere äußere. Aus beidem taumelte man am Ende blinzelnd heraus, ohne sich gleich zurecht zu finden. Einmal ist man in der Fremde angekommen, das andere mal aus der Fremde nach Hause.
Wo blieb Lukas nur?