24. Oktober 2019 – Nachtschicht

Nach der Schule war Lukas zu mir ins Lager gekommen, und trug ein Lederband um den Hals, an dem zwei seiner Fingerhut-Ringe baumelten.
„Warum machst du dir die nicht wieder an die Finger? Da ist doch noch Platz?“, wollte ich von ihm wissen.
„Des ko i ned, wei des san’d Ehering von Daniel und der Nadine. Daniel hat mir sein’ zur Aufbewahrung anverdraut, und i hob mir gestern nach der Schui gdacht, das de zam ghern, ned getrennt auf meine Finga. Und woast wos? Die klimpan so schee.“ Er demonstrierte mir, was er damit meinte, und freute sich diebisch über das leise Kling- Klang an seinem Hals.
„Großartig.“
„Ois der Daniel haid wieda besonders traurig woa, hob i nua di Ringa aneinander schlagen lassen, und i glaub, des hod eam wieda neian Mut gem.“
Ok, das war genial, das musste ich Lukas lassen. Auf sowas konnte niemand sonst kommen. Dann berichtete er noch, dass der alte Speck Daniel von der Schule abgeholt hätte, und sich ihn von Goldhammer bis ans Auto hatte bringen lassen. Es hätte ausgesehen wie eine Gefangenenübergabe.
„Du es hätt’n echt nur no Handschöin gfehlt.“
„Der ist in seiner Mittagspause extra von Aunkirchen her gefahren? Das ist richtig übel. Sieht gar nicht gut aus.“
„Den lassn’s nie mehr ausse.“
„Ich werd nachher anrufen“, versprach ich.
„Die lossn die ned amoi mit eam redn.“
„Doch, ich ruf genau dann an, wenn der Alte vor der Glotze hängt und die Tagesschau guckt. Dann geht seine Mutter ans Telefon, und der sag ich, dass ich nicht wüsste welche Hausaufgaben ich hätte, weil ich ja noch im Lager helfe.“
„Mei, des is genial!“ Lukas runzelte die Stirn. „Aba was mochst, wenn’s da vorschlägt, das i dir des a sogn kent?“
„Und? Weißt du was ihr auf habt?“
„Na, wieso? I ruaf ollaweil…“ Lukas’ Gesicht hellte sich auf. „Mei, du bist a Schenie!“
So hat es dann auch tatsächlich funktioniert. Ich konnte es seiner Stimme anhören wie leblos sie war und hoffte, dass das auch seiner Mutter nicht entging, die ihn bestimmt anfangs belauschte. Wir hatten diese Art Gespräch längst perfektioniert, wo jeder an seinem Ende ganz anders sprach, je nachdem ob es vor Publikum war, oder nicht. Zusammengeschnitten hätten sie keinen Sinn ergeben, aber wer nur eine Hälfte davon hörte, war beruhigt.
„In Mathe machst du die Algebra-Aufgaben von Seite 12 und 13.“ „Wir holen dich da raus Daniel, halte durch. Nur ein paar Tage.“ „Bis Montag, ja. Englisch Vokabeln von Unit 1.“
„Uns fällt was ein, bisher haben wir immer eine Lösung gefunden.“ „Nein, Schullektüre haben wir noch keine bekommen. Talmüller
meinte nächste Woche hätte er eine Auswahlliste.“
„Soll ich am Wochenende wegen einem Bericht über das Flüchtlingslager für den Eulenspiegel anrufen?“

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