10. Dezember 2019 – Spätschicht

Sie hatten sich so sehr auf das Kind gefreut, als Nadja schwanger wurde. Die Schwangerschaft war nicht geplant gewesen, aber sie hatten sich schon Gedanken darüber gemacht und waren sich einig: wenn sie einen ‘Unfall’ haben sollten, bevor sie sich bewusst fürs Kinder kriegen entschieden hätten, dann nehmen sie den Wink des Schicksals an. Sie haben zwar an allem gespart, aber sicher nicht gerade bei der Verhütung. Glaube ich. Kondome oder die Pille werden schon im Spiel gewesen sein. Wie auch immer, sie wollten das Kind haben. Die Aussicht Eltern zu werden brachte etwas in ihr Leben, was vorher gefehlt hatte: eine Richtung, Struktur, Zug.
Nadja stellte das Studium zurück und jobbte halbtags. Wenn das Kind alt genug für die Kita war, würde sie es wieder aufnehmen. Daniel bemühte sich um einen regelmäßigen, lückenlosen Jobmix. Er half wieder in den Hansa-Studios aus, wo er mal ein Praktikum gemacht hatte, als gerade U2 dort ihre Berlin-Platte aufnahmen. Bei kleineren Produktionen verdingte er sich als Studiomusiker und behielt darüber hinaus nur noch die Gitarrenschüler, bei denen er mehr verlangen konnte, weil es deren Eltern nicht so an Geld mangelte, wie ihrem Nachwuchs an Talent.
Ihr Vermieter guckte mißtrauisch, was für Anschaffungen da plötzlich in seine Wohnung kamen. Tapeten? Meinetwegen, aber Farbe? Was war da los? Beim Kinderbett erwog er ihnen zu kündigen, aber Nadja setzte ihm einen anderen Floh ins Ohr: dank ihrer Renovierungs- und Verschönerungsarbeiten könnte er nach ihrem Auszug den Nachmietern eine Erhöhung aufbrummen. Denn sie würden sicher bald in eine größere Wohnung umziehen. Als sie dann noch meinte, dass Babygeschrei vielleicht sogar die Junkies unter und über ihnen aus dem Haus trieb, war er kurz davor gewesen ihnen eine Provision anzubieten.

Wie sehr sie sich auf dieses Kind gefreut haben, merkt man daran, dass sie sich schon auf einen Namen geeinigt hatten, bevor es zur Welt kam. Das erstaunt mich um so mehr, weil wir mit Daniel schon an dem Bandnamen gescheitert sind, und wie er sich so schnell mit Nadja einigen konnte, kann ich nur mit Glückshormonen erklären. Walentina, wenn es ein Mädchen wird, nach der ersten Kosmonautin, und Valentin, falls es ein Junge würde, nach Karl Valentin. Daniel und ich waren seit wir einander kennen Fans von ihm gewesen und konnten sogar mal das Medikament auswendig, dass er in einer Apotheke holen sollte.
Zu der Zeit telefonierten wir fast täglich, weil sie wussten, dass ich in einer Kinderklink arbeitete. Ich musste ihnen Tipps geben, die ich mir zum Teil von meinen Kolleginnen erfragte, weil ich mit meinem Latein längst am Ende war. Sie würden mich als Patenonkel und Babysitter nach Berlin holen, und es war wunderbar ihnen so nahe zu sein. Ich hatte sie noch Silvester in Berlin besucht, Nadja’s Bauch bestaunt, und da war Valentin vielleicht schon gar nicht mehr am Leben gewesen.

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