10. Dezember 2019 – Spätschicht

Hab heute beim Bettenquartett verloren. Dabei hatte ich im Zimmer 3 mehrere gute Kandidaten, aber Tina hat mich beim Blutdruck mit ihren aus Zimmer 7 gestochen, und deswegen durfte ich dem Kind auf Zimmer 8 mit der Nikolaus-Verstopfung den Einlauf machen. Es ist jedes Jahr dasselbe, fressen an einem Tag den Kalender leer und die Nikoläuse auf, können dann drei Tage lang nicht kacken, kriegen Bauchschmerzen und haben Eltern die das sofort als akute Blinddarmentzündung diagnostizieren. Es ist auch nicht der Einlauf selber, der nervt, sondern die Diskussion mit den Erziehungsberechtigten. Sollte ich jemals an Feiertagen einen Rohrbruch haben, dichte ich das mit einem Gemisch aus Schoko- Lebkuchen, Zimtsternen und Spekulatius ab. Sollte dann mindestens bis Ostern halten.

In den Nachrichten liefen Bilder, die das Opernhaus von Sydney zeigten, dessen Muscheln man im dichten Rauch kaum mehr ausmachen konnte. Die Buschfeuer wüten ungebremst weiter, Kinder werden nicht mehr aus den Häusern gelassen, auf den Straßen laufen die Leute mit Atemmasken herum. Gruselig, und ich muss den Blick abwenden. Ich kann es einfach nicht ausstehen, wenn in den Patientenzimmern Fernseher laufen. Auch da haben Nachtschichten die Nase vorn.

Auf dem Russenmarkt besorgten sich Daniel und Nadine noch neue falsche Zeugnisse für ihre Tarngeschichte mit dem Waisenhaus, und was sie sonst noch an Papieren brauchen konnten. Das muss schon nach der Wiedervereinigung gewesen sein, weil vorher hatte sich Nadine nicht in den Ostteil der Stadt getraut. Daniel hatte sich dort schon mal heimlich umgesehen, obwohl er ihr hatte versprechen müssen, es nicht zu tun. Dieses Verbot hatte es spannender gemacht, als das grau-braun-gelbe Drüben dann tatsächlich war. Andererseits fehlte nur die blinkende Reklame aus dem Westen vor vollen Schaufenstern. Das hätte einen aber davon abgelenkt nach Schlaglöchern und potentiellen Fußfallen auf den Gehwegen Ausschau zu halten, insofern passte das schon.
Für ihre toll gefälschten Dokumenten interessierte sich aber nie auch nur eine gesamtdeutsche Behörde, aber sie in der Schublade gehabt zu haben beruhigte sie genauso, wie all unsere anderen überflüssigen Aktionen zuvor auch.
Daniel entspannte sich in Berlin wieder, aber ihn schmerzte, dass er dort keine Arbeit fand, die annähernd so gut bezahlt war, wie die in Mönchengladbach. Oder überhaupt eine. Ein halbes Jahr lang war er glücklicher Ernährer für sie beide gewesen, jetzt standen sie beide vor dem nichts, ihre ersten Spargroschen waren gleich wieder aufgebraucht. Irgendwie mussten sie aber über die Runden kommen, also begann Daniel Gitarrenstunden zu geben, bevor er gar nichts tat. Anfangs sogar ohne selbst eine zu haben, denn seine Gitarren hatte er in Vilshofen zurück gelassen. Das schmerzte ihn bis heute, weil inzwischen war uns ja klar geworden, dass er sie ohne Probleme hätte mitnehmen können. Aber vielleicht wäre damals dann auch alles genau deswegen schief gelaufen? Schmetterlingsfragen.

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