„Das wirst du besser beurteilen können als ich.“
„Allerdings“, blaffte ich.
Rothe seufzte. „Nadine hat versucht mich zum Bleiben zu überreden.“
„Was spricht denn dagegen? Für ein paar Tage, oder – -“
Er winkte ab und schüttelte den Kopf. „Nein. Wir müssen weiter.“ „Aber wieso denn?“
„Die ganzen Uniformierten machen mich nervös. Schon der Polizist in Österreich, die andere Uniform… dann hier im Westen gleich wieder andere, und so viele verschiedene – nimm’s mir nicht übel, aber seit der Zwangsumsiedlung ist das ein wunder Punkt.“
„Kein Wunder, nur – -“
Er packte meine Hand mit beiden Händen und schüttelte sie. „Ich bin froh, dass du das verstehst. Erklär das Daniel wenn wir schon weg sind.“ Dann trank er seine Flasche aus, schnappte sich meine geleerte ebenfalls und drehte sich im Weggehen noch einmal um. „Gute Nacht. Und schau, dass du auch ein bisschen Ruhe bekommst. Du siehst aus, als könntest du sie brauchen.“
Da hatte er Recht. Ich nickte nur und fand keine Worte mehr. Ich musste Daniel irgendwie Bescheid geben, ihn irgendwie erreichen. Sofort. Verdammt.
Mir fiel damals natürlich nichts besseres ein, als erstmal Lukas zu suchen.
Schicht ist zu Ende. Bei der Übergabe haben sie es auch schon alle gewusst, die gleichen bleichen Gesichter, wie bei mir und Schwester Anita. Uns fehlen die Worte. Wieder einmal.
© Jens Prausnitz 2022