Schwester Anita wollte mir einen Artikel über Mario Adorf aus ihrem Klatschheftchen vorlesen, weil sie glaubte, das könnte mich interessieren. Tat es nicht. Früher hätte er ihr Angst gemacht, aber jetzt, im gesetzten Alter wäre er einer ihrer Lieblingsschauspieler. Aha. Schön für sie.
Schwieriger war der Teil mit unserem Alibi. Also dem von mir und Lukas. Weil wir konnten ja schlecht in der Schule sitzen und gleichzeitig Daniel zum Zug begleiten. Daniel hätte theoretisch gleich fehlen können, das war klar. Tat er aber nicht. Einmal, weil sein Vater ihn noch immer morgens zur Schule brachte und Goldhammer ihn in Empfang nahm, und dann noch weil wir uns so ein bisschen Vorsprung davon erwarteten.
Auch der Plan ist natürlich nicht allein auf unserem Mist gewachsen, sondern wir haben uns dem Geistler anvertraut. Und der konnte sich noch gut daran erinnern, wie Daniel als begossener Pudel vor ihm gestanden hatte, verstauchter Knöchel und alles. „Mia bräuchten jetzt dann doch den Traktor…“ hatte Lukas gesagt, und dann haben wir ihm alles erzählt, als die Stammgäste weg waren. Er hörte sich alles an, nickte hier, schüttelte den Kopf da, und stand ab und zu fluchend auf und ging in seiner Kneipe auf und ab. Als wir fertig waren blinzelte er und sagte: „Sad’s es wahnsinnig gworn? Aber ned fo maim Bier!“ Wir redeten auf ihn ein, dass er uns doch ein Alibi geben könnte.
„A Alibi, i? Na. Na, na, na. Nanana na“, stotterte er uns entgegen wie ein Motor, der noch nicht anspringen wollte. „Ihr kennt’s doch ned mit dem Trabi fahrn, sad’s bled?“
„Wieso ned?“, fragte Lukas erschrocken.
„Weil ihr Deppn den so bunt agmoid habt, dass ihn de hoibade Stadt kennt!“
Lukas machte große Augen und ich wurde blass.
„Und wann’s ihr ned in der Schui sad’s, dann – -“
„Samma bei dir, da herin.“
„Na, em ned!“, herrschte er uns an. „Bei mia is ned der ‘Kunde König’, der Kini bin i, und ia deats wos i eich sog! Soweit klar?“
Wir guckten betreten auf den Tisch vor uns, Lukas wischte pflichtbewusst einmal mit dem Ärmel unter seinem Weizenglas und dem Bierdeckel durch.
„Ihr miast denga wia’d Polizei. Wenn die Fragen stellan datn, zum Beispiel warum grad ihr drei ned in der Schui seid’s?“
„Also… eigentlich wie immer?“, fragte ich vorsichtig.
„Ja, nua das es diesmal hoid ned wia imma is, du Depp.“ Geistler boxte mir schmerzhaft in die Schulter. Deutlich kräftiger als Daniel, aber es war genau die gleiche Stelle.
„Wia schaugt’s denn aus, wenn ihr alle drei in der Schui sads?“ „Langweilig“, seufzte Lukas.
„Genau!“ Er haute auf den Tisch, dass die Bierfilzl aus ihrem Ständer auf den Tisch purzelten. Ich sammelte sie wieder ein, während Geistler fortfuhr. „Genau so langweilig muas es aussehn, dann schöpft neamd Verdacht.“
„Ja aba dann san mir ja in der Schui!“
„Da ghead ihr a hi. Wann jetzt der Daniel föid, ihr aber noch da seid’s, was denga sie sich dann?“
„Das er glei wieda kimmt, oder mir a glei verschwind’n.“ „Jetzt kapierst as.“
„Dann kann Daniel abhauen, wenn wir da sind.“
Geistler nickte.