23. Oktober 2019 – Nachtschicht

Der Gschwendtner war zwar sicher nicht bei Goldhammer in Chemie gesessen, aber der Druck könnte tatsächlich aus der Schule gekommen sein, nicht aus der „Wirtschaft“. Es war eben immer ratsamer gewesen in Deutschland wirtschaftliche Gründe anzugeben. Je größer der Umsatz und die damit verknüpften Arbeitsplätze, desto besser. Die Bequemlichkeit von Lehrern, womöglich mal ein paar Meter weiter zur Schule laufen zu müssen, hätte sich nicht so gut als Erklärung der Schließung des Flüchtlingslagers gemacht, wie eine Baustelle. Wer anderen eine Grube gräbt, sollte seine Schaufel gut verstecken, bevor er mit ihnen redet.

Goldhammer war immer nur in der Schule. Die Grenze seiner Welt war die Professor-Scharrer-Straße. Seine Goldgrube, in der er Scheiße in Gold verwandelte, das Gymnasium. Oder umgekehrt. Hatte der Professor, nach dem die Straße benannt war nicht sogar was mit Dünger zu tun gehabt? Dort war er jedenfalls König, dort funktionierte er, konnte Richter und Vollstrecker in einem sein.

Die Kränkung, wenn aus den Minderjährigen plötzlich Erwachsene geworden waren, die sich zu behaupten wussten, steckten Menschen wie er nie weg. Wo kam das her? Was ist ihm passiert und zugestoßen, dass er sich nur in den engen Gängen einer Schule wohl fühlen konnte? Welches Machtgefälle hat er selbst erlitten, dass er es nur selbst reproduzieren und nachspielen konnte? Recht- und Ordnungshüter an einer Schule mit weniger als 1000 Schülern sein – für mich ein Albtraum, und für Goldhammer? Vielleicht kein Traum, aber sicheres, vertrautes Terrain, weil außerhalb der Schulmauern, über die echte Welt hatte er keine vergleichbare Kontrolle, dort begegnete ihm alles auf Augenhöhe, und das war nicht hinnehmbar.

Es ist nicht gerade hilfreich an dieses Arschloch zu denken, wenn ich die Entscheidung treffen muss, ob ich Weihnachten in Vilshofen verbringen werde, oder nicht. Das ist nicht fair. Andererseits verbringe ich ja jetzt schon jeden Tag dort in meinem Kopf. Vielleicht bringt mich ein Aufenthalt dort sogar auf andere Gedanken, oder rückt sie wenigstens gerade?

Und wenn ich Goldhammer begegne, dann sollte er sich besser warm anziehen. Ob er überhaupt noch lebt? Muss Lukas mal nach ihm fragen. An der Schule ist er ja wahrscheinlich nicht mehr, eher in Rente oder so. Ehrlich gesagt kann ich mir aber nicht vorstellen, dass er es ganz ohne die Schule aushält. Wie gesagt, dass ist die einzige Welt in der er sich wohl fühlt, dort ist er der Hai im Haifischbecken. Und außerhalb nur ein kleiner Fisch.

© Jens Prausnitz 2022

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