21. September 2019 – Treffen mit Mama (Sa)

„Du meinst, sie versauen sich auch noch das bisschen Glück, das sie mit ihren Enkeln haben könnten, wenn sie dann doch mal kommen?“
Mama nickte. „Weil was können sie ihnen anderes erzählen, als dass sie die ganze Zeit auf sie gewartet haben?“
Das leuchtete mir ein. „Wenn man dir zuhört, könnte man meinen, die ganze Welt wäre im Altenheim.“
„Ist sie auch“, seufzte Mutter. „Wie eine Bibliothek, aus der nie ein Buch ausgeliehen wird.“
„Hättest du vielleicht einen Tipp für mich“, fragte ich. „Etwas, das ich Schwester Anita schenken könnte?“
„Der Scheuklappen-Tante? Wieso denn das?“
„Damit sie mal was anderes, als ihre Klatschhefte zu lesen hat. Sie mag Krimis ganz gerne.“
„Lass mich mal nachdenken. Vielleicht fällt mir was ein.“

Dann sprachen wir ein bisschen über die Bücher, die wir gerade lasen. Für Nachtschichten braucht man packende Bücher, die einen wach halten, und in die man nach Unterbrechungen schnell wieder hinein findet. Und wenn man in Altenheimen den Bewohnern vorlas, dann ebenso, auch wenn dort die Aufmerksamkeitsspanne meist aus anderen Gründen beeinträchtigt war. Von daher hatten wir immer gute Tipps füreinander.

Wir gingen zusammen in eine Buchhandlung und versorgten uns mit neuem Material, danach trennten sich unsere Wege. Es tat gut das mit ihr besprechen zu können, nur sah ich noch immer keinen Ausweg aus meinem Dilemma. Ich konnte nicht hinter seinem Rücken gegen Daniel’s Wunsch verstoßen und Lukas alles erzählen. Die beiden wissen voneinander nur noch aus zweiter Hand, nur noch über mich. Und seit 13 Jahren hat niemand mehr Lukas nach ihm gefragt.

Warum bin ich überhaupt der Idiot, der zu allen Kontakt hält? Der sich an alles erinnert? Wieso bleibt das alles immer an mir hängen? Warum tun sich die anderen alle leichter mit dem loslassen? Wahrscheinlich weil ich im Herzen ein Schlagzeuger geblieben bin. Ich liebe diese Idioten einfach zu sehr, und daran bin nunmal nur ich selbst schuld.

Oh verdammt! War gestern nicht Lukas’ Geburtstag? Ja, natürlich. Und ich Esel frage mich seit Wochen, warum mir das Datum die ganze Zeit so merkwürdig vertraut vorkommt.

© Jens Prausnitz 2022

Anmerkung: Die Textzeile aus “toxic trace” ist in der Buchfassung nicht mehr enthalten, in diesem Fall aber nicht wegen Sorgen um das Zitatrecht und Lizenzen (wie bei Rush), sondern aufgrund “normaler” Kürzungsbestrebungen :)

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