Anton Rothe und der BGS Mann müssen wohl kurz am Gymnasium gewesen sein, während Nadine mit dem Trabi nur eine Seitenstraße weiter im Auto wartete. Wie knapp sie einander verpasst haben, weiß ich nicht, ich kann es mir nur ausmalen. Ich weiß nicht einmal wie sie auf die Idee kamen die B8 Richtung Passau zu nehmen. Hat doch wer am Parkplatz den Trabi vorbei fahren sehen? Ein Lehrer? Ein Schüler? Ein Anwohner? Ein Bauer vom Markt? Lange dort aufgehalten haben sie sich jedenfalls nicht.
Von unseren Mitschülern habe ich später nur so viel erfahren, dass tatsächlich Goldhammer selbst den Brand mit dem Feuerlöscher unter Kontrolle gebracht hatte, unter dem Gegröle der Unterstufe, die ihn anfeuerte, ausbuhte oder beides. Als die Feuerwehr eintraf, gab es nichts mehr zu löschen, aber neben dem Brandgeruch lag auch der von Benzin in der Luft, und das Nachspiel wurde sehr hässlich.
Wenn die Schüler nur etwas leiser gejubelt hätten, hätte Rothe vielleicht das Tuckern des laufenden Motors hinter den Büschen gehört und so vieles wäre anders gekommen. Ein paar Minuten eher, und er hätte sie mit dem Benzinkanister über die 100m Bahn wegschleichen sehen können, zu der Stelle, wo man gut durch die Hecke schlüpfen konnte. Es macht mich ganz kirre, wie wenig gefehlt haben muß, damit alles eine andere Wendung genommen hätte. Wir waren wie menschliche Billardkugeln, die beim Anstoß heute morgen in alle Welt auseinander strebten, gegen Banden und ineinander krachten. Die weiße Kugel war Nadine, und schickte mich barfüßig auf die Reise, und prallte selber in Richtung Gymnasium ab. Von da an überschlugen sich die Ereignisse, alles kullerte wild durcheinander, und spielte sich doch in einem geschlossenen Rahmen ab, in dem irgendwann jeder in seinen eigenen Abgrund fallen sollte.
Als ich später selbst zur Schule rannte, muss Rothe schon an mir vorbei gewesen sein. Auf dem Gymnasiumsparkplatz rätselte ich dann, wo alle abgeblieben waren. Abgesehen von Gemüseresten auf dem Parkplatz und dem Brandgeruch in der Luft war dort alles wie sonst. Was zur Hölle … hatten die Händler etwa gegrillt?
Wie ich später erfahren sollte, fuhren da die drei „Streichholz und Benzinkanister“ grölend parallel zur B8 Richtung Passau und verpassten gleich mal die Unterführung unter der Bahnstrecke durch zur B8. Noch so ein Moment, der einer glücklichen Fügung gleich kommen sollte.
Auf die B8 wollten sie dann ein paar hundert Meter später in Sandbach wechseln und weiter Richtung Passau fahren, um dort die A3 Richtung Norden zu nehmen. So war der Plan, den Lukas im Kopf hatte, der leider schon wieder veraltet war, bevor er auch nur die Chance hatte den anderen davon zu erzählen.
So, jetzt noch die Schlüsselrunde, dann geht’s ab nach Hause.
© Jens Prausnitz 2022