Daniels Schulter, ihre Finger, im Vorbeigehen, zärtlich, nicht mehr als ein Windhauch, und diese Geste sagte mir alles. Vielleicht weil ein unbewusstes Schulterzucken auf diese nicht zufällige Berührung ausblieb, ich weiß es nicht. Außer mir erinnert sich ja niemand daran. Dieser Moment hat sich mir eingebrannt, er enthielt alle Antworten, alles was ich nicht wissen, was ich sofort wieder vergessen wollte, ungesehen und ungeschehen machen wollte, aber bis heute sehe ich es so deutlich vor mir, das da kein Raum für die Zweifel der anderen ist. Und nichts hat sich geändert, denn ich will immer noch beide lieben, Daniel und Nadine, und wir alle einander.
Nadja kann sich nicht daran erinnern, versteht nicht, dass ich immer wieder davon anfange, und sagt, dass sie da überhaupt noch nicht in Daniel verliebt gewesen sei. Und Daniel zuckt schon zusammen, noch bevor eine Mücke auch nur zur Landung auf ihm ansetzt, weswegen die immer mich und Lukas zerstochen haben. Aber ihren leicht gekrümmter Ringfinger und der ebenfalls leicht abgewinkelte kleine Finger will er nicht bemerkt haben? Obwohl sie ihn streiften, sein T- Shirt schlug unter ihren Fingerkuppen eine kleine Welle, die Schauer über meinen Rücken laufen ließ. Das bilde ich mir nicht ein. Beide sahen glücklich und doch abwesend aus, und ich wusste in dem Augenblick, dass sie füreinander bestimmt waren, dass nichts zwischen sie kommen würde, es war mein Blick der unter dieser zarten Berührung zerdrückt wurde.
Dann verschwamm alles, mir liefen Tränen in die Augen, ich nahm meine Brille ab und setzte mich auf die Bank, dorthin wo Nadine gesessen hatte. Mit den Tränen putzte ich die Gläser, die kein bisschen schmutzig waren, während Lukas von ihrem bevorstehenden Tag mit Monika erzählte, irgendwas mit Farben. Und wie sie gestern bei Besensandbach von einer Schafherde ausgebremst worden waren, anstelle von Trabis auf der B8. Nadine war wohl auf die Motorhaube geklettert, der Schäfer hatte ihr ein Lämmchen in die Arme gedrückt, das sich von ihr halten ließ, und die Schafe strömten an ihnen vorbei, welliges, flauschig-weiches Wasser, eine auf dem Asphalt klackernde Brandung. Daniel und Lukas hätten derweil drinnen “Welcome to the Jungle” von Guns’n’Roses gesungen, und alles, was ich wollte, war weinen, und ich musste es mir verkneifen. „Bin gleich wieder da…“ hab ich gesagt und bin nach Luft ringend los gestolpert, und hinter dem Spielzelt heulend zusammengesunken. Neben einer dünnen, weißen Wand, durch die ich fröhliche Kinder spielen hören konnte, und für mich war alles schon wieder aus gewesen, dabei hatte es nicht einmal begonnen.
Sie sollten einander haben, beschloss ich dort und in dem Augenblick, auch wenn es mich zerriß.