Doris hat ja überhaupt nicht versucht mich zu verführen, oder ich sie, aber meine körperliche Reaktion hätte eindeutiger nicht sein können. Gleichzeitig waren da widersprüchliche Gefühle, denn sie könnte ja ebenso gut meine Mutter sein, und mit all dem kam ich überhaupt nicht klar. Sie war umwerfend. Ich fand sie körperlich anziehender, als Nadine, wohl weil sie schon eine reife Frau war, und kein bestenfalls pubertierendes Ding. Eben genau wie Anne Bancroft – ich weiß ja nicht mal, wie die junge Schauspielerin heißt, die da ihre Tochter spielt! Ich verstand nicht, was Dustin Hoffman von dem jungen, unsicheren Mädchen wollte, wo er die reife, bestmögliche Version Frau, die aus ihr vielleicht noch werden mochte schon da war und ihn in ihr Bett ließ. Was stimmte mit ihm nicht? Oder mit mir? Gut, der Film wäre deutlich kürzer, würde sein schönes Finale einbüßen, aber meine Güte: Mrs. Robinson war der heißeste Feger, und daran hat sich für mich nie etwas geändert.
Ich fühlte mich schon immer zu reiferen Frauen hingezogen. Mama hatte glaube ich etwas völlig anderes mit ihrem „Wie die Mutter, so die Tochter“ im Sinn gehabt, und ganz bestimmt nicht „Wenn nicht mit der Tochter, dann halt mit ihrer Mutter”.
So trug ich also die Büroklammern stolz zurück in ihr Zelt wie frisch erlegte Gummibärchen. Damit verlängerte Doris geschickt den Umfang des Büstenhalters, deren Körbchen zwar immer noch zu klein waren, ihr aber nicht länger die Luft abschnürten. Jedenfalls lange genug, um ihren passenden BH von drüben schonend per Hand zu waschen und in der Nachmittagssonne trocknen zu lassen. Währenddessen ging ich eine Rauchen, als ob sich mir der Kopf nicht schon genug drehte.
© Jens Prausnitz 2022