24. September 2019 – Nachtschicht

Doris lachte. „Da haben wir dich wohl auf dem falschen Fuss erwischt?“
„Nicht nur mich. Ich glaube das ist für viele ein Schock. Ich erkenne die Stadt nicht wieder, die Hilfsbereitschaft und das alles. So sind die hier nie.“
„Freu dich doch für sie.“
„Ich?“
„Ja wieso denn nicht?“
„Weil…“ Ich überlegte. Darauf wusste ich keine Antwort. „Na siehst du. Könnte ich dich um was bitten?“
„Ja, natürlich.“ Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn. Mir fiel erst jetzt auf, dass im Zelt Temperaturen wie in einer Sauna herrschten.
„Könntest du nachsehen, ob mein Mann inzwischen angekommen ist? Robert Rothe.“
„Ich weiß. Also ich meine, leider noch immer nicht.“ „Ach, hat dich Nadine deswegen schon gelöchert?“ Ich nickte.
„Mist.“
„Wir finden ihn sicher“, wand ich beruhigend ein, und war gleichzeitig froh, dass er jetzt nicht das Zelt betrat.
„Sicher kommt er noch. Wir sind ja nicht in Ungarn mit dem Auto liegen geblieben“, seufzte Doris. „Es ist nur, dass da unsere ganzen Klamotten drin sind, und ich gerne endlich in frische Unterwäsche schlüpfen würde, raus aus der sozialistischen Miederware.“
Ich deutete auf den BH auf ihren Knien. „Und jetzt entpuppt sich das Westmodell als zu eng?“
Sie nickte. „Könntest du mir vielleicht ein paar Büroklammern besorgen?“
„Ja klar.“
Was war ich froh wieder aus dem Zelt zu kommen. Die Sonne heizte es unbarmherzig auf, oder war ich das gewesen? Was sich da neben mir unter der Bluse fröhlich schaukelnd beim Sprechen bewegt hatte, brachte mir Blutdruck und Kreislauf durcheinander. Eine Minute länger, und ich hätte einen Vorwand finden müssen um nicht aufzustehen. So entkam ich gerade noch und hatte schon Bilder aus Die Reifeprüfung vor Augen.
Nadine’s Mutter war meine Mrs. Robinson.
Frau Rothe. Doris.
Oh Mann.
Großartig, jetzt laufe ich mit einem Ohrwurm durch die Klinik, und summe „here’s to you Mrs. Robinson“, während ich auf meiner Runde auf Station 4 Temperatur, Puls und Blutdruck eintrage. Jetzt kann ich darüber lachen. Wieso überhaupt Reifeprüfung? Als ginge es in dem Film ums Abitur ablegen oder Obst im Supermarkt. Wobei ihre Rundungen mich durchaus an Obst erinnerten.

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