Fuck it, ich mach durch. Bin nochmal kurz in der Klinik gewesen, zur Grippeimpfung, und habe danach mit den beiden verbliebenen schwarzen Bananen ein Bananenbrot gebacken – jetzt duftet es in der ganzen Wohnung ganz herrlich danach, das ist fast das Beste daran. Ein Hauch vorweihnachtlicher Atmosphäre breitet sich aus, nur frischer. Nüsse, Zimt und Apfel sind darin zu einer wunderbaren, recht klebrigen Angelegenheit verbacken, aber es schmeckt ja trotzdem so gut, dass man sich noch eine Scheibe abschneidet. Und wenig später noch eine.
Beim Rauchen vor der Klinik noch Doktor Heßler getroffen, und mit ihm über Halle gesprochen. Und Österreich. Dazu meinte er, dass der Heintje-Verschnitt nach der FPÖ nun eben die Grünen kaputt mache, was sich dann in zwei Jahren bei uns so ähnlich wiederholen würde. Ich wollte widersprechen, ließ es dann aber bleiben. „Wir machen den Österreichern doch alles nach. Wenn es nur falsch genug ist.“
„Beim Antisemitismus haben wir aber gerade die Nase vorn.“
„Das ist eine Abfahrt, da sollte man unsere Nachbarn nicht unterschätzen. Außerdem sind wir noch nicht ganz unten“, lächelte er müde. „Wir sind in keiner Position irgendwem Ratschläge zu erteilen.“
„Dabei tun wir nichts lieber, als das“, warf ich ein.
Er nickte. „Die ganzen Friedhofsschändungen bei uns, die Hakenkreuze? Alles längst Alltag, der nur noch ein Schulterzucken oder Kopfschütteln auslöst. Gezielte Provokationen in KZ-Gedenkstätten? Ein bisschen pflichtschuldig Empörung zeigen, fertig. Alles Routine.“ Heßler kam ein bisschen in Fahrt. „Letztes Jahr in Bonn?“
„Bonn?“ Ich runzelte die Stirn. „Was war da nochmal?“
„Der Professor, dem erst die Kippa vom Kopf geschlagen wurde, um danach von mehreren Polizisten überwältigt, geschlagen und fixiert zu werden, als sei er der Täter?“
„Ach das, ja, jetzt erinnere ich mich.“
„Hat zu laut ‘Haltet den Dieb’ gerufen. Uns auf Antisemitismus, Rassismus, oder Sexismus aufmerksam machen? Geht gar nicht. Es geht schon längst nicht mehr allein gegen Objekte und um Schmierereien. Damit fängt es an, und im nächsten Schritt gewöhnen wir uns auch wieder daran, das Menschen Gewalt angetan wird. Wegen ihrem Glauben, ihrer Hautfarbe, oder angeblich zu kurzen Röcken, von denen man ungewollt schwanger wird.“
Ich schwieg und machte meine Zigarette aus. „Was ich nicht verstehe ist, warum ausgerechnet die Polizei nicht vorbereitet war.“
„Wusstest du vor Halle von Jom Kippur, dem Feiertag? Sei ehrlich.“
„Ja, aber nur weil ich es zufällig wo aufgeschnappt habe, im Radio glaub ich. Vielleicht war es auch eine Angebotswoche im Supermarkt…“
Heßler gluckste verächtlich. „Der Discountmarkt an der Ecke ist besser vorbereitet, als der Polizeikalender. Spätestens beim Lichtfest tappen die Behörden dann wieder im Dunkeln.“ Er sah zu mir rüber. „Was ist los, ist die Viertelstunde schon rum?“
Ich nickte. „Außerdem hab ich Hunger. Nach Impfungen hab ich immer Hunger. Kann ich dich auf was einladen? Ich weiß, wo man Bagels bekommt. Weil auch Solidarität geht durch den Magen.“