„Das heißt, du hast eine Menge untröstlicher Kinder drüben zurück gelassen. Das wird dir nicht leicht gefallen sein.“
„Das nicht, aber der dortigen Schulleitung dürfte ein Stein vom Herzen gefallen sein. Endlich sind sie mich los.“
„Nicht sozialistisch genug?“
„So ähnlich haben sie es gerne zu umschreiben versucht.“
„War Nadine nicht eifersüchtig auf die anderen Kinder?“
„Und wie. Wie kommst du darauf?“
„Meine – -“
„Deine Freunde, du hast es ja vorhin gesagt. Wegen deiner Mutter.“ „Und das waren nur zwei. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das bei einer ganzen Klasse voller Kinder gewesen sein muss.“
„Wenn ich nur Tests korrigieren musste ging es eigentlich. Nur wehe wenn ich Zuhause was für die Klasse vorbereitete, dann war sie unendlich geknickt und mutierte zu einer kleinen, aber unglaublich effektiven Nervensäge.“
„Auf einmal bin ich froh, dass meine Mutter in einem Altenheim arbeitet. Auf die alten Knacker war ich nie eifersüchtig.“
„Dafür dann eben deine Großeltern.“
„Die habe ich gar nicht mehr richtig kennengelernt. An meinen Opa mütterlicherseits kann ich mich nur noch dunkel erinnern.“
„Das tut mir leid.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Muss es nicht. Eigentlich waren die Alten im Heim ja ein guter Ersatz. Die hatten immer Schokolade für mich, auch wenn die oft eher für die eigenen Enkel gedacht war – nur kamen die nie, und so kam ich halt in den Genuss.“
Doris lachte und ich grinste.
„Was haben denn Nadine’s Großeltern gesagt?“
„Meine haben gar nicht mehr erfahren, dass es sie gibt, und die Eltern meines Mannes hätten uns wahrscheinlich eigenhändig über die Grenze gefahren. Aber keiner von beiden hatte einen Führerschein.“
„Ich habe auch keinen gemacht.“
„Braucht man hier nicht unbedingt einen, so auf dem Land?“
„Doch, schon“, sagte ich. „Aber ich wollte hier weg, und das war ein bisschen Rebellion. So wie Hochdeutsch zu sprechen. Und mit Autos habe ich es auch nicht.“
“Wohin soll es denn gehen?”
„Ich weiß nicht, einfach raus hier?“ Doris schmunzelte.