„Würde zu ihm passen, findest du nicht?“
„Da ist was dran“, stimmte ich ihr zu. „Warum rufst du überhaupt an? Wir wollten uns doch sowieso nachher sehen.“
„Ja, eben deswegen. Ich schaffe es heute nicht.“
„Wieso, ist was passiert?“
„Nein, alles in Ordnung“, erklärte sie beruhigend. „Also mit mir. Nur im Altenheim, da – -“
„Ich will es gar nicht wissen, Mama. Bitte“, flehte ich.
„Was denn? Bist du etwa sauer deswegen?“
„Vielleicht ein bisschen?“, gab ich überrascht zu. „Aber es ist schon in Ordnung, nur mag ich nicht schon wieder eine der Geschichten aus dem Altenheim hören. Nicht jetzt, nicht heute. Ich bin zu müde, verstehst du?“
„Ja doch. Danke für dein Verständnis, und ich mache es wieder gut.“
Deswegen hatte sie also mit dem Buch für Schwester Anita angefangen. Schlechtes Gewissen, weil sie mir wieder mal absagen „musste“. Es kränkte mich nicht wirklich, ja freute mich sogar, weil sie ein so aktives Leben führte, auch wenn ich es nicht so recht nachvollziehen konnte, wieso das immer noch im Altenheim sein musste. Sie hatte ihr ganzes Berufsleben in welchen verbracht, und wollte unter keinen Umständen einmal selber in eins. Mama sah darin keinen Widerspruch, so lange sie nicht die Seiten wechselte. Wenn sie selbst dort alte Leute herumschieben konnte, war alles in Butter.
Sie tat sich einfach schwer mit dem Loslassen alter Gewohnheiten, aber wer tut das nicht? Mich hatte sie längst in die Selbstständigkeit entlassen, und es war die Gewohnheit des Nachfragens und Umsorgens, die sie ebenso wenig ablegen konnte, wie ich meine Eifersucht, wenn bei ihr jemand anderes vor mir dran kam. Es ist wie mit dem Rauchen aufhören, irgendwie unmöglich. Selbst wenn es ne Weile klappt, fängt man dann doch wieder an.
Dann fragte sie noch, ob’s was Neues von ‘Mario’ gäbe, was ich verneinte, und dann hängten wir auf, wofür ich sehr dankbar war.
Heute kann ich zwar das Buch nicht kaufen, aber dafür kann ich was anderes machen, was ich beinahe vergessen hätte: eben habe ich auf dem Tablet nach der Pin noch den Fingerabdrucksensor aktiviert. Vielleicht bin ich schon paranoid, oder Schwester Anita färbt langsam auf mich ab, dass ich jetzt so handle, wie sie redet. Egal, fühlt sich gut an.