Wer hätte das gedacht: noch vor dem Ende der Sommerferien ging bei mir heute ein Antwortschreiben des Bayerischen Rundfunks ein, datiert auf den 22.08.2012:
bei “Klick” auf das Bild kann man das Schreiben lesen…
… oder hier (mit Rechtsklick, “speichern unter…”) herunterladen. Glücklicherweise (für die Leser dieses Blogs) wurde es nämlich versäumt(?) der Veröffentlichung schriftlich (geschweige denn anderweitig) zu widersprechen. So werden Sie, liebe Leser, einmal mehr hautnah Zeuge, was man sich als Urheber alles gefallen lassen muß. Wobei… ich lasse es mir ja nicht länger gefallen, sondern hoffe Sie auch dieses mal mit meinem Antwortschreiben gut zu unterhalten, und vielleicht die Augen zu öffnen:
Zunächst noch eine kleine Textanalyse, bzw. Beobachtungen. Das Schreiben ist von der Leiterin der Redaktion Kurzfilm und Debut (allerdings auf dem Briefpapier der Redaktion Spiel-Film-Serie), Frau Dr. Claudia Gladziejewski höchstpersönlich, einschließlich Weiterleitung im Haus an weitere Personen, wie beispielsweise Frau Bettina Ricklefs, die ich ebenfalls persönlich angeschrieben hatte. Interessant ist beispielsweise der Stempel unter der Unterschrift, denn er ist der erste Beleg, dass es überhaupt eine Adresse der Redaktion Kurzfilm und Debut gibt! Die Adresse ist nicht der Rundfunkplatz 1 wie für den BR an sich, sondern in der Floriansmühlstraße 60, in schöner Lage, direkt am Englischen Garten. Telefon, Fax und E-Mail fehlen dem Stempel allerdings, wahrscheinlich war nur einfach “kein Platz mehr”. Mit meiner “erratenen” E-Mail-Adresse lag ich fast richtig, aber jetzt liegt sie mir ja vor, und aus Gründen der Höflichkeit werde ich sie (zunächst) für mich behalten (ebenso wie Telefon und Fax).
Ablehnungsschreiben an sich sind nichts ungewöhnliches, die Floskeln sind branchenübergreifend die Gleichen. In Hollywood (der 1910er und20er Jahre) gab es sogar mal welche mit Multiple-Choice zum Abhaken. Im Fall meines Drehbuchs greift nun angeblich schon Punkt zwei, denn es “fehlt an Spannung und Dramatik”. Bevor ich näher darauf eingehe, lohnt ein Blick auf “merkwürdige” Formulierungen, die (m)einen “Copy and Paste”-Verdacht unterstreichen (Hervorhebungen von mir):
Denn im letzten, bzw. zweiten Absatz wird wieder die Mär der ach so vielen Projekte bemüht. So versucht man sich um eine auch nur ansatzweise ausführlichere Antwort zu drücken. Ich verweise gerne wieder auf die geölte Maschine der Stasi-Unterlagenbehörde. Was soll dieses ständige Gejammer von der “Menge an eingesandten Filme”? Ich denke das ist ihr Job?! Und wie erklärt sich dann, das angesichts der Riesenauswahl trotzdem so viel Müll über die Sender läuft? Also irgendwo paßt da was nicht zusammen.
Viele Fragezeichen.
Nun meine öffentliche Antwort, die ich wie gehabt als E-Mail abgeschickt habe:
Sehr geehrte Frau Dr. Gladziejewski,
vielen Dank für Ihr Schreiben. Ich habe es mir jetzt mehrfach durchgelesen, und da ich nicht schlauer daraus werde, stelle ich es ebenfalls den Lesern meines Produktionstagebuchs zur Verfügung, da Sie dem nicht ausdrücklich schriftlich widersprochen haben. Ich habe meinen Lesern nichts zu verbergen, und freue mich über Ihre stille Zustimmung, mit der Sie sich dieser, meiner transparenten Veröffentlichungspraxis, angeschlossen haben.
Leider geht aus Ihrer Antwort nicht hervor, welche Fassung Sie gelesen haben – die Zweite, die Dritte oder gar beide? Letzterer umfasst 137 Seiten, und da ich gerne eine weitere schreiben möchte, hätte ich jetzt gerne in Erfahrung gebracht, wo konkret die von Ihnen bis jetzt nur behaupteten Defizite liegen. Gerne stelle ich dann meinen Lesern (sowie unter anderem dem VDD) die entsprechenden Drehbuchauszüge zur Verfügung, damit sie sich selbst ihr eigenes Urteil bilden können, denn entweder hier liegt ein Mißverständnis vor, oder Ihre Meinung steht gegen meine. Dann soll das Publikum selbst entscheiden. Jaaa, die können das. Wer denn sonst?
Da Sie sich in Ihrer, von mir schon einmal auf meinem Blog zitierten Aussage “eine noch intensivere Zusammenarbeit mit talentierten jungen Filmemachern” wünschen, möchte ich Ihnen gerne noch einen Alternativvorschlag machen: Ich bin am 10/11.9. in München und stehe gerne für ein klärendes Gespräch unter 2 (oder mehr) Augen zur Verfügung, um das Filmprojekt mit Ihnen (oder einem Stellvertreter) zu diskutieren. Genau zum Jahrestag der Ereignisse, auf die mein Film Bezug nimmt. Trifft sich doch gut, oder?
Dabei könnte man besprechen, was denn das Drehbuch verbessern würde – gerne korrigiere ich die von Ihnen angesprochenen Punkte:
– mehr Spannung / Lösung: ein Flüchtling entpuppt sich als STASI-Doppelagent, manipuliert die Bremsleitungen aller auf der Rennbahn abgestellten Trabbis und stiftet Unruhe in der Stadt, wo er nur kann.
– mehr Drama / Lösung: Nadines Vater wird von eben diesem STASI-Agenten am Schlagbaum beim rettenden Grenzübertritt angeschossen, er verblutet bei Passau in den Armen seiner Tochter, die es mit dem Trabbi nicht schnell genug zu ihm geschafft hat.
– Konfliktdarstellung brauchen Platz / Lösung: Dann streiche ich alles, was nicht Konflikt ist, wie im richtigen Leben eben – zuallererst natürlich die Darstellung von Langeweile in der bayrischen Provinz.
– kürzere Dialogpassagen in der Liebe / Lösung: Daniel und Nadine verzichten auf das Kennenlernen und Vorspiel, wie es Teenager Ende der 80er Jahre eben miteinander getrieben haben.Sie sehen, ich sprühe geradezu vor Ideen und bin kompromissbereit. Ich kann mir noch mehr einfallen lassen – ganz wie Sie wollen.
Gestatten Sie mir bitte in diesem Zusammenhang eine einzige Gegenfrage: Haben Sie wirklich einen besseren Stoff für das Thema 25 Jahre Mauerfall auf Lager oder gar in der Vorproduktion? In den letzten 25 Jahren habe ich jedenfalls noch nicht einen(!) Film gesehen, in dem unsere (=bayrischen) ehrenamtlichen Helfer rund um die Flüchtlingslager 1989 gewürdigt wurden. Wie lange braucht das denn noch? Aber die hat man ja schon damals beim Empfang in Bonn – im wahrsten Sinne des Wortes – im Regen stehen lassen.
Echte “Dialogbereitschaft” und “intensive Zusammenarbeit” sieht jedenfalls anders aus. Wenn Sie daran interessiert sind, dann können Sie es ja jetzt gerne unter Beweis stellen. Öffentlich. Wenn Sie das nicht wollen, dann formulieren Sie es bitte so, dass man es als Normalsterblicher auch versteht. Der übliche Branchenjargon hängt uns “Urhebern” jedenfalls zum Halse raus. Kann denn noch jemand in Ihrer Redaktion einen Satz geradeaus schreiben?
Bevor mein Buch noch länger weiter vor sich hin dümpelt, werde ich spätestens zum Jahresende beide Drehbuchfassungen gratis online stellen, dann kann sich jeder der mag sein eigenes Urteil über die Qualitäten der Vorlage und seines “Heimat-Senders”, den BR bilden.
Mit freundlichen Grüßen aus “ihrem Sendegebiet”,
Jens Prausnitz
PS: Gerne hätte ich den Brief noch ihrer Kolleginnen Bettina Ricklefs, Claudia Simionescu, Angelika Erhard und Amke Schweitzer geschickt, aber da ich deren Adressen nicht habe, möchte ich Sie bitten diese, meine Antwort in meinem Namen auch an eben jene weiter zu leiten. Vielen Dank, und auf eine baldige Begegnung, wenn es Ihr Terminkalender wie weiter oben vorgeschlagen zulässt.
Weiterführende Informationen (wie auch diesen Schriftverkehr) finden Sie auf dem Produktionsblog unter www.generation89.de
Ich gebe zu, das hätte ich freundlicher formulieren können. Aber mal unter uns: Warum soll ich mir Mühe geben, wo es andere, die auch von ihren Steuergeldern bezahlt werden, an der nötigen Sorgfalt fehlen lassen? Mit Verlaub: Verarschen können wir “Zuschauer” uns auch alleine.
Quellen:
http://www.absage-bewerbung.de/tag/absagen-generator/ (Absagengenerator)
http://www.slashcam.de/news/single/Ihr-Drehbuch-wurde-aus-einem-der-folgenden-Gruende–8687.html (Hollywood Ablehnungsschreiben)
Hmm, vielleicht wäre es ein guter Gedanke über Crowdfunding nachzudenken? Dann wird der Abspann zwar länger aber der BR taucht darin nicht auf (und kann sich auch nicht damit brüsten) ;-)
Hallo Mark! Wenn du ein bisschen auf diesem Blog (und seiner google+ Seite) stöberst, wirst du feststellen, dass ich schon über Crowdfunding nachgedacht habe, ja sogar versucht habe eine Offline-Variante davon anzuschieben, was leider an rechtlichen Problemen gescheitert ist. Dennoch: dem Crowdfunding gehört die Zukunft, nur ist es damit in Europa noch nicht so weit, wie in den USA. Gäbe es bei uns entsprechend frequentierte Plattformen, wir Filmemacher würden ihnen die offen stehende Tür einschließlich Rahmen einrennen!
Allerdings habe ich im Moment meine Zweifel, ob ein relativ kleiner Film wie dieser, der ohne Schießerei, Leichen und Mord auskommt, bei den Nerds überhaupt eine Chance hätte. Andererseits verlasse ich mich weder auf Hoffnung noch Glauben, ich probiere lieber was Neues aus. Also lass dich mal von meinen weiteren Schritten überraschen; der BR stellt nur unter Beweis, was ich hier der Presse, dem Stadtrat und der Bevölkerung schon vor Monaten erzählt habe – mit jeder anderen Reaktion hätten sie mich auf dem linken Fuß erwischen können :)