Wirklich viel mitzuentscheiden gab es hinterher sowieso nicht, nur eine Stimme in anderer Runde, die dort genauso viel Gewicht hatte, wie unsere zusammen: keins. Auch die Kollegsprecher konnten immer noch vom Direktor überstimmt werden. Also einstimmig. Daran gewöhnt man sich.
Wenn ich von direkter Demokratie höre, dann denke ich eher an Regionalpolitik. Die Stadträte und den Bürgermeister kennt man vom Sehen, und kann beim Bäcker in der Schlange mit ihnen ins Gespräch kommen. Das sind zwar nicht die vermutlich spannenden Gespräche, wie sie in Hinterzimmern geführt werden, aber hier fällt das Weglaufen schwerer, und das Gedächtnis der Wähler hält länger.
Rückwirkend haben der Gschwendtner und Dorfner vielleicht tatsächlich mehr in ihrer „Stunde der Stellvertreter“ gesehen, die waren da ja schon mindestens eine Dekade in der Partei – einfach so wird man ja nicht mal eben Vize-Irgendwas. Vielleicht haben sie nur auf einen Moment wie diesen gewartet, und dann war da die Chance auf erinnerungswürdige Fotos, ein Jahr vor den nächsten Kommunalwahlen. Selbst wenn es so gewesen sein sollte: der echten Anteilnahme konnte man sich dort nicht entziehen. Spätestens dann dürften sie sich wieder daran erinnert haben, warum sie überhaupt mal in die Politik gehen wollten. Ansonsten hätte der Gschwendtner für die Fotos auf einer Kiste stehen müssen, denn Uwe überragte ihn um einen guten Kopf. Also eigentlich alle um sich herum. Er sah immer wie ein Basketballspieler unter Kindern aus.
Mir fallen die Augen zu, ich muss jetzt eine Rauchen, es hilft nichts.
Wir konnten in Goldhammer nichts anderes mehr sehen, als ein armes Würstchen, der sich darin suhlte Daniel vorzuführen. Am nächsten Tag war mir der Kragen geplatzt, und ich konfrontierte ihn nach der großen Pause vor der Tür, wo wir auf Herrn Kantl, den Mathelehrer warteten.
„Ich hätte da eine Verständnisfrage, Herr Goldhammer“, begann ich. „Ja?“ Er musterte mich mißtrauisch.
„Nur damit ich das gestern richtig verstanden habe: Sie vermuten Brandstifter unter uns?“, fragte ich unschuldig. „Allerdings.“
„An ihrer Schule.“
„Ja.“
„Quasi unter ihrem Dach?“
„Worauf willst du hinaus?“, fragte er scharf.
„Weil, dann…“ Ich legte nachdenklich die Stirn in Falten. „Dann wären sie doch der Biedermann in dem Stück, oder?“
Die Temperatur fiel zusammen mit dem Geräuschpegel auf Null. Goldhammer verzog keine Miene und ich hielt seinem Blick stand, mühelos. Dann kam Herr Kantl und ging um uns herum ins Klassenzimmer.
„Was stegst ihr denn noch herum?“, hörte ich ihn hinter mir sagen. „Mei, ned sie, Herr Goldhammer, ‘d Schüler moan i. Jetzt setzt eich hoid hi!“ Auf seinen fragenden Blick bekam er nur zur Antwort, dass es mit mir noch ein Wörtchen zu wechseln gelte, uns ich dann gleich nachkäme.