„Ja, und jedes Mal, wenn ich es höre, dann hat mein ‘but’ da zwei ’t’ und ich denke an dieses Arschloch.“
„Find ich jetzt nicht so schlimm.“
„Und deswegen fährst du diese Weihnachten nach Vilshofen. Wegen Lukas und – -“
„Sandra heißt die Glückliche.“
„Ganz bestimmt?“
„Jaha, hab nachgeschaut und es mir auf den Handrücken geschrieben, zum einüben.“
„Ah, clever. Ist das Kind denn schon da?“
„Termin ist im Frühling.“ Ach verdammt, ich Idiot.
Ich hörte Daniel schlucken. Nach einer Pause fuhr er fort: „Dann hab ich noch ein bisschen Zeit. Gibst du mir seine Nummer? Ich versprech’ nichts, aber…“
Yes, Jackpot, Bingo, Lotto!
„Ich schick sie dir gleich als SMS.“
„Wieso nicht die Visitenkarte? Ach, mach wie du’s kannst. Ich hab jetzt keinen Nerv dir zu erklären, wie man die verschickt. Und wie verbringt ihr dann die Woche unterm Weihnachtsbaum?“
„Keine Ahnung, Witchass Reunion?“
Daniel lachte so herzhaft und losgelassen, wie ich ihn Jahre nicht gehört habe.
„Witchass! Das hatte ich total vergessen!“
„Und? Einverstanden?“
„Nein, nie und nimmer. Aber mit Witches Ass könnt’ ich leben“, kicherte er.
„Das sag ich ihm.“
„Red doch keinen Scheiß, Johann!“
Wir lachten und obwohl es nur am Telefon war griff ich mir mit der freien Hand an die Schulter, als hätte er mich dort gestoßen, wie er es immer getan hat.
„Du, meine Pause ist rum, ich muss wieder rein.“
„Wie wär’s wenn du das nächste Mal einfach mal anrufst, wenn du ein bisschen mehr Zeit hast?“
„Ich überleg’s mir.“
Er legte unvermittelt auf. Ich nahm’s ihm aber nicht übel. Das war auch überhaupt nicht unhöflich gemeint, sondern eine Angewohnheit, die ihm von früher geblieben ist, wenn er die Nähe seines Vater auch nur geahnt hat. Der alte Speck war immer der Ansicht gewesen, dass wir viel zu oft und lange miteinander telefonierten. Zwar zum verdammten Ortstarif, aber für ihn war das andere Vils-Ufer so weit weg und gefühlt so teuer wie ein Telefonat nach Übersee. Unvermitteltes Auflegen ohne Verabschiedung war deswegen etwas, woran sich alle Gesprächspartner von Daniel wohl oder übel gewöhnen mussten.
© Jens Prausnitz 2022