Ach ja, gestern hatte mich noch Daniel in seiner Mittagspause vom Handy angerufen, und sich darüber beschwert, dass ich den beiden vom Vilshofener Gymnasium und Lukas erzählt hätte.
„Träumst du denn auch noch von der Schule?“, fragte ich zurück.
„Was? Das tut doch jetzt nichts zur Sache. Erst rutscht dir das mit Nadine raus, und jetzt Lukas? Was ist denn in letzter Zeit los mit dir?“
„Ich hab’s doch versucht zu erklären, ich schlaf schlecht. Wegen der Träume. Dann haben mir deine Kinder erzählt, wie ich dem mit Klarträumen auf den Grund gehen kann.“
„Claraträume?“
„Die gibt’s wirklich, ich hab auch Ärzte bei mir in der Klinik gefragt, ob einer nicht zufällig Schlafforscher kennt, die einen Versuchsschläfer suchen. Bis da was frei wird, bin ich auf mich selbst gestellt. Jetzt haben mich deine beiden nach meinen Fortschritten befragt, und ich hab’s ihnen erzählt. Das mit den Schuhen.“
„Ich denke du warst barfuß – was denn auf einmal für Schuhe?“ „Soll ich dir das jetzt auch nochmal alles erzählen?“
„Ehrlich gesagt, nein“, schnaubte Daniel, dessen Ärger sich wieder in Luft auflöste. „Ich hab ja geglaubt, dass Lukas als erster von uns Vater wird.“
„Ha ha, dann fehle jetzt also nur noch ich, oder wie?“ Daniel schwieg.
„Hallo? Bist du noch dran?“
„Ja“, erwiderte er kühl.
Ich fuhr gähnend fort. „Mir wäre es lieber gewesen, du hättest es von ihm selbst erfahren, aber… ja wieso hat er das wohl nicht gemacht, hm?“
„Sehr witzig, Johann. Du weißt es ist nicht seinetwegen, sondern wegen dem ganzen Rattenschwanz an Lügen, den die Sache inzwischen nach sich zieht. Die Kinder glauben uns dann gar nichts mehr.“
„So ein Blödsinn“, widersprach ich. „Gib’s zu, es ist einfach nur bequemer so, und du hast Schiss.“
„Natürlich hab ich Schiss! Was glaubst du denn?“
Wir schwiegen.
„Bei mir ist sie nicht leer“, sagte Daniel leise.
„Was?“
„Wenn ich von der Schule träume. Wir sitzen still im Klassenzimmer, die Glocke hat geläutet und der Lehrer ist noch nicht da. Mich wundert gar nicht, das unsere Tür schon zu ist, verstehst du? Da ist keiner von uns draußen auf dem Flur, oder wenigstens an der Tür und lauscht, ob er kommt. Ich weiß, dass es ein ‘er’ ist, weil es eine Englisch-Stunde ist, beim Geiger. Oder war’s Geschichte? Jedenfalls vergeht Minute um Minute, keiner sagt was, und dann sind alle wie aus gebranntem Ton, und ich weiß, dass ich dran komme, weil ja nur ich atme, und ich bin nicht vorbereitet, und dann höre ich Schritte, durch die Tür, eigentlich viel zu laut, und – -“
„Ist ja gut, Daniel“, versuchte ich ihn zu beruhigen.
„Nach all den verfickten Jahren, habe ich immer noch Sätze von diesem Arschloch im Ohr. Last but not least. Wer das but auch nur einmal vergisst, dem reißt er den Arsch auf.“
„Den but-butt.“