„Während wir gewendet haben, sind die zur Fähre gefahren, und gerade so vor uns abgelegt“, fuhr er fort. „Ich dachte erst der springt mir in die Donau, der war nicht zu beruhigen.“
„Und dann?“
„Dann saßen sie in der Falle, und ich verständigte die Polizei, die haben sie dann auf der anderen Seite abgefangen.“
„Und dann?“, platzte es aus mir heraus, und die beiden sahen mich entgeistert an.
„Dann sind sie zum Bahnhof, wie wir auch, die sind in den Zug eingestiegen wie geplant. Ende der Geschichte.“ Damit nahm er sein Tablett und die beiden setzten sich weit genug weg, dass ich nichts mehr hören konnte. Aber ich wusste jetzt mehr als genug, und alles war falsch. Grundlegend falsch. Waren Daniel und Lukas etwa mitgefahren? Und wenn nicht, wo waren sie nur abgeblieben? Was hätte ich damals für ein Mobiltelefon getan, um sie anrufen zu können, stattdessen tappte ich im Dunkeln.
Alles verdüsterte sich.
Auch Uwe war merkwürdig blass gewesen. Als ich ihn darauf ansprach erzählte er mir, was ihm gestern vom Geheimdienst gesteckt worden war. Seine Presseauftritte wären denen drüben nicht verborgen geblieben, und darum gelte er jetzt als Staatsfeind.
„Du? Ausgerechnet du?“, fiel ich ihm ins Wort. „Aber du hast doch nur deinen Job gemacht, daraus können die dir doch keinen Strick drehen!“
„Anscheinend doch.“
Und genau der lästigen Pflicht wegen, auf die er liebend gerne verzichtet hätte: Pressearbeit. Was es für ihn aber überhaupt erst schlimm machte war, dass er nicht wusste, ob deswegen seine Tante drüben jetzt Repressalien ausgesetzt war. Er wusste nicht, ob er sie jemals wiedersehen würde, nur weil er hier Menschen in Not half, wie er es schon sein ganzes Berufsleben lang getan hatte. Und warum hat dieser Geheimdienst-Typ ihm das überhaupt stecken müssen? Ich verstehe die Motivation dahinter nicht – warum mussten sie ihm das denn sagen? Und warum so? Nur weil sie es wussten? Seit wann muss ein Geheimdienst denn alles aussprechen, was er weiß? Spricht deren Berufsbezeichnung nicht für das genaue verdammte Gegenteil?
Wahrscheinlich haben sie sich nur gelangweilt, weil sie die einzigen waren, die bei uns nix zu tun hatten. Also verbreiten sie ein bisschen Angst, um ja nicht einzurosten, diese Arschgeigen. Sich ein bisschen aufspielen. Als hätte Uwe den Kopf nicht schon mit genug anderem Kram voll gehabt.
Alles kippte an diesem Tag, und auch der Ärger mit den Jobvermittlern ging weiter. Die lockten die Opfer für ihre Anwerbungsversuche eben vorher aus dem Lager raus. Es war zum Verzweifeln.