21. Dezember 2019 – Frühschicht

„Worauf wartet ihr denn?“
„Darüber haben wir doch schon gesprochen“, seufzte Daniel gereizt.
„Wenn sie volljährig sind. Warum hast du es in letzter Zeit so mit …“ Er suchte nach den richtigen Worten, und ich konnte förmlich vor mir sehen, wie sich seine Stirn in Falten legte. „Unseren Vätern und Vaterschaftsfragen?“
„Hab ich das? Weiß nicht, vielleicht weil Lukas Vater wird. Und ich hab auf Rügen an meinen Alten denken müssen, und dann auch an deinen.“
„Du willst doch hoffentlich nicht sein Grab besuchen?“
„Nein, nicht mal wenn es auf dem Weg zu dem von Talmüller liegt. Und selbst bei dem bin ich mir noch nicht sicher, ob ich das will.“
Daniel schwieg. Ich glaube er hatte schon länger nicht mehr an ihn gedacht. „Wenn du das machst, dann richte ihm bitte Grüße von mir aus, und erklär ihm wieso ich nicht persönlich kommen kann.“
„Aber das könntest du doch. Der alte Speck ist längst Humus und niemand wird dich mehr erkennen.“
„Das ist es nicht.“ Daniel atmete angestrengt. „Weißt du, ich hab mir lange eingeredet, dass ich nicht so werde, wie mein Vater, wenn ich mir keinen sicheren Job ans Bein binde, so wie er. Dass es besser ist wie nach Mönchengladbach: sich durchschlagen, von Projekt zu Projekt leben. Noch heute ertappe ich mich dabei.“
„Soll das heißen, das war ein Grund nach Berlin zu gehen? Gar nicht die Wehrpflicht, sondern der alte Speck?“
„Inzwischen glaube ich das, ja. Da war schon auch die Angst vor dem Bund, aber… was mir mehr Angst eingejagt hat war der feste Job, die Wohnung, die Ehe… alles wie bei meinem Alten, vor dem ich doch gerade weggelaufen war.“
„Deswegen musst du deinen Kindern jetzt auch was anderes sagen, als deine Eltern zu dir! Wiederhole nicht ihren Quatsch, sondern sag, was du damals gerne von ihnen gehört hättest.“
„Manchmal wünschte ich, du würdest beim Abtrocknen unter der Dusche nochmal versehentlich den Wasserhahn aufdrehen, weißt du das?“
Ich kicherte.
„Mir geht es aber um etwas anderes“, sagte Daniel ernst. „Es ist gar nicht der Job, an dem ich mich störe, sondern das sich als Erzeuger und Ernährer fühlen, und dass man deswegen das Sagen hat. Also zu Hause, weil in der Firma wird gebuckelt, zu Hause dann ausgeteilt – das hat nichts mit der Arbeit zu tun. Das ist der Wunsch Macht über andere zu haben. Bis ich das auseinandergeknotet habe… aber wir sind nicht so Johann, oder irre ich mich da?“
„Also ich mag meinen Job“, begann ich.
„Herrgott nochmal Johann, ich meine im übertragenen Sinne. Jetzt mach es mir doch nicht so schwer!“
„Das läge mir fern.“
„Weißt du, wir sind dir dankbar Johann, für alles, was du für uns getan hast.“ Daniel rang mit sich, suchte vorsichtig nach den richtigen Worten. „Ich meine das auch so, wie ich es sage: für alles. Verstehst du?“
„Ich denke schon“, sagte ich, weil ich glaubte, dass er das hören wollte, aber ich fand er übertrieb jetzt wegen der doofen Weihnachtsgeschenke wirklich etwas. Da er nichts sagte, schob ich noch ein „Keine Ursache“ nach.
„Dann lass uns nicht mehr davon anfangen, ja?“
„Einverstanden“, sagte ich erleichtert.

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