Hinter der Bahnunterführung gabelte sich die Straße dann schon ein letztes Mal, links ging es Richtung Ortenburg aus der Stadt heraus, rechts Richtung Aidenbach, aber vorher möglichst schnell am Bergerparkplatz, evangelischer Kirche und Post vorbei, weil man dort sonst an der letzten Ampelanlage hängen blieb. Staute es sich mal, gingen wir einfach zwischen den wartenden Autos über die Straße Richtung Schwimmbad, und ich sagte unterwegs kurz Mama im Altenheim Bescheid, weil das gleich auf dem Weg lag.
Die beiden Ausfallstraßen verband noch zweimal eine Straße: die erste kam gleich nach der Ampel, über die man zum evangelischen Gemeindehaus oder der Sankt Georg Hauptschule nebst Dreifachturnhalle kam, wo wir unsere 1000m Läufe um deren Leichtathletikplatz absolvieren mussten. Die andere Verbindungsstraße lag gleich dahinter, und machmal glaubte man auf der zweiten 400m Runde den Duft der Limo aus dem Getränkemarkt dort zu riechen. Hätte man uns dorthin laufen lassen, wären wahrscheinlich unsere Zeiten deutlich besser gewesen. Auch weil es da wieder bergab ging. Fuhr man von dort über die Ortenburger Straße zurück stadteinwärts, kam man an der Tankstelle vorbei, neben der ich mit meiner Mutter wohnte, die Schülerlotsen zum nahen Gymnasium beinahe vor dem Fenster. Hinter dem Gymnasium kam dann nur noch das Krankenhaus.
Wenn man sich von den Hauptstrassen entfernte, fand man sich gleich in Siedlungen wieder, die zu den Stadträndern hin vom Baujahr jünger, von den Budgets größer, aber keinesfalls schöner wurden. Wenn man sie überhaupt sah, weil auch die Hecken höher wurden, um dann fast überall nahtlos in Wald über zu gehen. Da musste dann auch niemand mehr hinter dem Vorhang stehen, das übernahmen bereits die elektronischen Alarmanlagen. Heute gucken da aber bestimmt Kameras aus der Hecke.
Zum Verweilen lud einen dort nichts ein, es sei denn eins der Anwalts- oder Arztkinder feierte Geburtstag, und man gehörte zum Kreis der geladenen Gäste, was bei uns Langhaarigen eher selten der Fall war. Kam aber doch vor, zum Beispiel wenn der Nachwuchs seine Eltern anpissen wollte. Wir gingen dann sowieso schnell wieder von alleine, nachdem wir eine Runde durch die Hütte gedreht hatten ohne irgendwo Alkohol zu finden, den man hätte stibitzen können. Danach blieb nur der Gang zur Aral, weil wir am Arsch der Welt wohnten. An einem der vielen Ärsche am Ende der Welt, aber das hier war unserer.
Das ist halt der Vorteil, wenn man auf einer Kugel wohnt, da ist immer und überall hinten. Es braucht dazu auch gar keine Öffnung ins Innere des Planeten haben, einen Vulkan oder so. Für den Arsch der Welt genügen zwei Backen. Oder Backstuben: Stöhr, Treffer – versenkt.
Was wenn der Arsch der Welt gar kein Ort ist, sondern eine Person? Ein Titel? „Herzlichen Glückwunsch, du bist mit sofortiger Wirkung der amtierende Arsch der Welt!“
Scheiße, bei der Zigarette eben ist mir jetzt keine weitere Ecke in Vilshofen eingefallen, sondern wen ich noch alles vergessen hab, der auch was von mir zu Weihnachten geschenkt bekommen sollte… na das wird ein Spaß, so auf den letzten Drücker, aber nicht mehr heute, morgen vor der Arbeit.
© Jens Prausnitz 2022