„Ich schwöre bei der Vils, dass wir von hier an immer wieder zusammenfließen werden.“ Dabei schob sie Daniel den Ring über den Finger, der auch ihm eine Idee zu weit war und drückte ihn zusammen bis er hielt.
„Mei, des is schee“, seufzte der Fährmann.
„Damit erkläre ich euch jetzad zu Mann und Frau,“ sagte Lukas zufrieden, während die beiden sich bereits küßten. „Ihr könnt’s jetzt knutsch’n, bis mia anlegn.“
Der Fährmann nickte, und Lukas gab ihm seine Mütze zurück.
„Sie san jetzad a Trauzeuge. Aber eigentlich braucht’s no an zwoatn.“
„I glaub den hobts a so scho. Schaug.“ Er deutete zum anderen Ufer, an dem ein Polizeiwagen zum Stehen kam.
„Oh mei, i hink haid imma an Schritt hinterher. Und i woid glei über Otterskirchen und Rathsmannsdorf mit dene zur Auffahrt bei Aicha vorm Wald.“
„Des wird wohl heid nix mehr.“
„Ko man ned mit dera Fähre – -“
„Und as Stahlseil durchbeißn, oda wos?“ Der Fährmann schüttelte den Kopf. „Und selbst wenn, an der Schloisn in Kachlet homs uns dann ganz sicher. Nur das ma olle vorher no dasaffa.“
„Und die Donau brächte uns nur nach Ungarn, wo ich ja gerade erst hergekommen bin“, meinte Nadine. „Nein, danke.“
„I hätt trotzdem Lust mit dera Fähre’d Donau obe zu fahrn, wia der Huckleberry Finn und Jim den Mississippi.“
„I manchmoi a“, seufzte der Fährmann leise.
„Tuhdäys Tom Soja is a färrimän“, sagte Lukas und Daniel lächelte traurig.
So tuckerten sie der wartenden Polizei in Zeitlupe in die Arme. Da mit dem Trabi eh keine Fluchtgefahr bestand, durften sie auch zusammen fahren, allerdings mit einem der Beamten auf dem Beifahrersitz. Vorher versprach Lukas dem Fährmann noch, dass er wiederkommen würde. „Woas i eh“, hat der darauf geantwortet. Die haben sich danach aber auch tatsächlich angefreundet.
So ging es dann begleitet von einer Polizeieskorte zum Bahnhof in Vilshofen. Laut Lukas hat keiner von ihnen auf der Fahrt auch nur ein Wort gesprochen, außer dem Polizisten, der ganz außer sich war, mal in einem Trabi zu sitzen, und seiner Begeisterung darüber Luft machte. Daniel und Nadine hätten sich währenddessen hinten im Trabi immer tiefer und tiefer in die Augen gesehen.
Die Ringe hat Lukas für sie aufgehoben, und sie ihnen Jahre später mitgebracht, als wir uns zum erstem Mal alle wieder gesehen haben.
Schwester Anita ist heute so merkwürdig gereizt. Hab versucht sie zu trösten, aber das hat es nur noch schlimmer gemacht. Besser ich frag sie erst gar nicht, ob ich mich morgen etwas verspäten kann. Sie heute gar nicht mehr anzusprechen ist wahrscheinlich das beste. Ups, die Klingel!
Da bin ich wieder. Ist schon früh geworden, und die Bahnhofssache pack ich jetzt nicht mehr an. Da reicht auch die Zeit nicht mehr. Ich mach lieber eine Kanne von dem Ekeltee und lass dann meine Tasse kalt werden, während ich die Schlüsselrunde drehe. Ich glaub, das was Anita plagt, ist vielleicht die Herbstdepression. Draußen wird es deutlich früher und bleibt länger dunkel, die Blätter fallen und alles ist grau.
© Jens Prausnitz 2022