12. Dezember 2019 – Spätschicht (getauscht)

Frauke sah mich fragend an.
„Sollte ein Scherz sein – da kommt er auch schon mit unseren Getränken.“
Während er sie abstellte, sagte ich nochmal das Gleiche, und als er weg war fragte ich Frauke, ob sie vielleicht ein Glas Wein trinken wolle, was sie verneinte und ich bereits geahnt hatte. Himmel, was fand Mutter nur an der? Oder schlimmer: warum um alles in der Welt dachte sie, dass mir diese plappernde Kindsfrau eine Partnerin sein könnte? Der einzige Grund, der mir einfiel war, dass sie auf Teufel komm raus noch Enkel haben wollte. Ich bin doch nicht drauf wie mein Vater, und das machte mich ein wenig wütend, und so sah mich auch Frauke gerade an. Außerdem ein bisschen beleidigt.
„Verzeihung, ich glaube ich hab den letzten Satz nicht ganz mitgekriegt.“
„Deine Mutter hat gesagt, du wärst ein so guter Zuhörer.“
„Nein, was du eben gesagt hast, nicht meine Mutter.“
„Na das du ein guter Zuhörer wärst, und ich fange ehrlich gesagt gerade an daran zu zweifeln“, schnaubte sie.

Der Abend eskalierte von da an erst so richtig. Frauke knabberte an ihrem trockenen Salat, während ich bei dem eigentlich als Aperitif gedachten Gin-Tonic blieb, den ich dann auch als Hauptgericht und Nachtisch nahm. Das stieg mir auf nüchternen Magen zwar schnell zu Kopf, aber ich nahm den Abend danach endlich von der lockeren Seite. Nicht wie mein Vater locker, sondern wie meinen Vater unter den Tisch, und damit aus meinem Kopf gesoffen. Nur gelang mir das Zuhören bei ihr trotzdem nicht.
Während Frauke mir ihr halbes Leben zwei Mal erzählte, dachte ich an Nadine, wie wir auf dem Bergerparkplatz in den Himmel geschaut haben, an Tina in ihrem Sommerkleid, an Marie im Schwesternwohnheim und an Evelyn, mit der ich im Gang hinter der Bibliothek bei einer Schuldisco geknutscht hatte, deren Spange mir die Lippen aufscheuerte, dass ich hinterher aussah, als hätte ich schlimmen Herpes.
Alle meine Flammen zogen an mir vorbei, als ginge es mit mir auf mein Ende zu. War das ein Hinweis darauf, dass ich eine Nacht mit Frauke nicht überleben würde? Zweifellos. Nackt gesehen hatte ich sie ja quasi schon, und sie war garantiert fitter, als ich auch ohne Gin- Tonic im Blut. Andererseits hatte der wohl inzwischen auch in mir ein bisschen Blut in Körperteile verdrängt, die jetzt anderer Meinung waren, als ich, oder es wenigstens mal darauf ankommen lassen wollten. Ich war in einer Zwickmühle, oder einer die sich darauf reimte.
„Wollen wir noch woanders hin gehen?“, fragte Frauke gerade, und nach dem Satz kam tatsächlich eine Pause. Wir hatten gerade gezahlt, 50/50, weil sie sich nicht einladen lassen wollte, das wäre das 21. Jahrhundert, und so weiter, und damit lag der offizielle Teil hinter uns.

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