10. September 2019 – Nachtschicht

Gefahren gab es zwar keine nennenswerten, außer man wurde von einem Discobesucher angefahren. In größerer Gefahr waren sowieso die Leute im Auto, weil die sich regelmäßig um Bäume wickelten und in Böschungen überschlugen. Oder beides. Aber in der Stadt kündigten sich Autos schon mit ihren quietschenden Keilriemen an, wenn sie noch kilometerweit entfernt waren. Man musste keine Fledermaus sein um sie präzise orten zu können, aber nur weil es einem der Stadtplan auch so einfach machte. Die wenigen Unterführungen hatten alle ihr charakteristisches Echo, und auf jeder Seite der Vils gab es in jeder Himmelsrichtung im Prinzip nur noch eine mögliche Straße, und so war das keine große Kunst, die irgendjemand beeindruckt hätte.

Irgendwie ist heute in der Klinik nichts los, scheint eine ruhige Nacht zu sein. Oder das ist nur die Ruhe vor dem Sturm, und nachher ist wieder die Notaufnahme voll. Ich trau dem Frieden nicht, und dreh besser mal ne Runde.

Nö, ist echt nichts los. Niemand will was, alles schläft, die Geräte piepen und pumpen gleichmäßig vor sich hin, draußen weht kein Lüftchen, die Nacht ist sternenklar. Die gleichen Sterne, wie man sie auch in Vilshofen sieht.

Wo war ich stehen geblieben? Auf Station bin ich vorhin nicht vor der Übergabe fertig geworden, aber es hat Spaß gemacht, mir das ins Gedächtnis zu rufen, und dann auf dem Heimweg wach gehalten. Mal gucken, ob ich’s gleich noch einmal zusammen krieg, nach einem Nickerchen.

War mit Schwester Birgit zwischen Station 3 und 4 auf dem Balkon eine Rauchen. Ganz in Mondlicht getaucht, sah sie bezaubernd aus, als sie ihren Pferdeschwanz neu gebunden hat, cool wie im Film, mit der glimmenden Zigarettenspitze zwischen den Lippen. Aber kaum wenn sie den Mund aufmacht und ihr schwäbischer Dialekt durchbricht, ist es dann vorbei mit der Romantik.

Romantik ist echt nur auf Hochdeutsch möglich, sonst wird es sofort aufdringlich. Dialekte haben ja echt ihren Charme, und bergen riesiges Potential wenn es um Humor und Witz geht. Dialekt erzeugt sofort Nähe, in der man sich zwar wohl fühlt, aber jeder Sex-Appeal geht darüber gnadenlos flöten. Deutsch kann als Sprache einfach nicht sexy sein. Romantisch geht gerade mal so, der Lyrik und Poesie sei Dank, aber wenn’s ans Eingemachte geht, dann bleibt Deutschen echt nichts anderes übrig, als die Klappe zu halten. „Ja, ja, weiter, du geile Sau?“ Nee, echt nicht. Das ist gruselig. Ich konnte noch keinen einzigen deutschen Porno mit Ton ansehen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Oder man weicht besser gleich auf andere Sprachen aus. Körpersprache zum Beispiel.

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