10. November 2019 – Nachtschicht

Ich habe mir nie groß Gedanken über unsere Namen gemacht, bis Daniel und Nadja damit angefangen haben. Mir war ihre Herangehensweise sympathisch, dieses Verknüpfen des Namens mit Menschen, die sie inspiriert haben, die für sie etwas bedeuteten. Nicht wie bei mir. Johann hieß auch mein Großvater väterlicherseits, und ironischer Weise habe ich den ebenso wenig kennengelernt, wie zuvor meinen eigenen. Die Tradition den Namen der Großeltern einzubauen, als Zweitnamen zu vergeben, wo kommt die nochmal her? Wenn es das einzige ist, was bleibt, und man es doch mit nichts verknüpfen kann, es einem mit nichts verbindet, was soll das dann?
Bei den Zwillingen war es dann schon eine Nummer kleiner. Es sollten Namen sein, mit denen man möglichst wenig verknüpfte. Keine Kindheitsfreunde, niemand, den man kannte, sie sollten unbeschriebene Blätter und Namen sein, ohne den Ballast voriger Generationen, ohne den Ballast eigener Erinnerungen, und womöglich damit verbundenen, unbewussten Erwartungen: Clara und Dennis. Klarer konnte die Ansage nicht sein. Und wenn ihnen ihre Vornamen nicht gefielen, dann sollten sie sich einen aussuchen, und im Standesamt ändern lassen. Sie sollten es selbst in der Hand haben, und das gefiel mir sehr.
Den Vornamen von mir, Daniel und Lukas hing immer noch dieses Bibel-Echo an, was für Niederbayern jetzt nicht gerade ungewöhnlich war. Der alte Speck war natürlich auch hier alttestamentarisch unterwegs, bei der Namensgebung, wie der Bestrafung. Aber ihre eigenen Kinder sollten weder mit Religion noch Tradition belastet werden. Wenn überhaupt, dann sollten sie ihren Weg dorthin selbstständig finden. Freiheit und so, bla bla bla. Das war der Plan.
Dann kamen die Fragen nach den Großeltern, die es nicht gab. Offiziell waren Daniel und Nadine ja Waisenkinder. Trotzdem ziehe ich Clara und Dennis mit erfundenen Geschichten auf, wie und warum sie beinahe ganz anders geheißen hätten, zum Beispiel Clara und Robert, weil ihre Eltern gerne Schumann gehört hätten. Das fand Clara deutlich lustiger als Dennis. So haben sie es zum Glück nie sonderlich ernst genommen, und ich hoffe Nadja wird mir einmal dafür dankbar sein, wenn sie den beiden die Wahrheit erzählt. Und Daniel natürlich auch. Nur habe ich den Verdacht, dass – wenn überhaupt – sie es sein wird, die das Schweigen bricht.

Anita hat mich jetzt gefragt, ob das ASMR gewesen sei, was ich da gemacht hätte. Bin etwas überrascht, dass sogar sie davon gehört hat, andererseits ist das ja nicht der erste Trend, von dem ich als letzter etwas mitbekomme. Sie meinte sogar, dass sie das auch mal ausprobieren würde, wenn ein Kind nicht schlafen könne. Der Kleinen waren die Augen zwar auch schon so zugefallen, aber ich sagte lieber nichts, und damit war das Thema gegessen.

© Jens Prausnitz 2022

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