10. November 2019 – Nachtschicht

„Mist, du hast Recht. Keine Ahnung. Hast du eine Idee?“
„Jemand, den wir kennen? Wir könnten so heißen wie Johann.“ „Spinnst du?“
„Wieso denn? Ist der Mädchennamen seiner Mutter, und die ist super.“
„Mag ja sein, aber geht’s ein bisschen weniger bayrisch als Mayr?“ „Was stört dich denn daran? Für die Dame muss es wohl gleich Goethe oder Schiller sein.“
„Das glaubt uns dann ja keiner. Der Name darf nicht auffallen und soll erst gar nicht in Frage gestellt werden.“
„Ja, eben!“
„Aber so ganz ohne… ich weiß nicht… Charme? Muss nicht sein.“ „Mein Deutschlehrer ist kinderlos gestorben, vielleicht wäre der was: Talmüller.“
„Da war ja Mayr noch besser! Vielleicht mehr ein bisschen um die Ecke?“
„Apropos, hinter der nächsten Häuserecke sind wir da.“
Nadine seufzte. „Na gut warte. Das Gegenteil von Tal… Hang, Berg, Schlucht… wie entsteht ein Tal?“
„Durch Wasser… einen Fluss…“
„Ja, das ist gut. Wie an der Donau, mit Lukas als Kapitän, das passt zu uns, oder?“
Daniel nickte und lächelte.
„Und vielleicht ein alter Beruf dabei … Fährmann?“
„Der kriegt auch nasse Füße – wie wär’s eher trocken?“
„Fluss… Meer… Fischer! Wie findest du Fischer?“
„Klingt ganz okay. Gibt’s denn Fischer in der DDR?“
„Klar, was dachtest du denn?“
„Nein, ich meinte nicht als Beruf, sondern kanntest du wen, der Fischer hieß?“
„Äh, Oskar Fischer?“
„Joschka? Der von den Grünen? Der ist doch nicht von drüben!“ „Nein, unser Außenminister: Oskar Fischer.“
„Oh.“
„Hast dich nicht so für ‘drüben’ interessiert, was?“
„Sagen wir mal, ich arbeite dran“, ärgerte sich Daniel. „Jetzt gerade zum Beispiel.“
„Mir werden die Beine ein bisschen weich, du.“ Nadine blieb stehen und stützte sich an einer Hauswand ab.
„Jetzt komm schon, wir sind gleich da. Nicht schlapp machen.“
Nadine kicherte nervös. „Hör mal, du weißt echt nichts über die DDR, gibst aber gleich vor von dort zu sein. Lass bitte mich reden, ja?“
Dann ist Daniel hoffentlich blass um die Nase geworden. In meiner Vorstellung. Wir schlitterten damals von einer unvorbereiteten Situation in die Nächste, und wie durch ein Wunder klappte trotzdem alles. Wahrscheinlich deshalb, weil zu der Zeit irgendwie alle abgelenkt, und mit ihren Gedanken woanders waren. Oder das Glück ist mit denen, die sich dumm hinten anstellen.

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