07. November 2019 – Nachtschicht

Wir mussten dringend Geld auftreiben. Lukas und ich konnten ein bisschen was nebenher verdienen und vielleicht per Postanweisung schicken. Aber dann brauchten wir eine Adresse. Und Daniel einen Ausweis. In dem war er noch immer minderjährig. Das fiel also weg. Einfach so Bargeld im Brief, wie die Großeltern aller anderen zum Geburtstag? Die Beträge würden ähnlich knausrig sein, dennoch wäre es schade um jede Mark gewesen, die nicht ihr Ziel erreicht.
Daniel meinte, er würde sich selber darum kümmern und arbeiten gehen. Aber wie? Er war minderjährig und es würde wahrscheinlich schon bundesweit über eine Vermisstenanzeige nach ihm gefahndet. Und es wäre ein Preisgeld auf seinen Kopf ausgesetzt, tod oder lebendig begraben. Von seinem Vater.
„Dann rauben wir eben wirklich Banken aus, wenn es sein muss!“ „Mit Besteck und Lukas’ Schlafsack, oder was?“
„Mit Pistolen!“
„Und wo nehmt ihr die her?“
„Mei Vater hät a Jagdgewehr. Aber des hängt schon so lang überm Kamin, i glaub des is scho mit Ruß verstopft.“
„Daniel, du hast den Kriegsdienst verweigert bei der Musterung, schon vergessen?“
„Ich will ja niemanden erschießen. Höchsten bedrohen“, wandte er ein und fügte nach kurzer Überlegung hinzu: „Ein bisschen.“
„So ein Quatsch!“
„Es muss ja auch keine Bank sein, vielleicht eine abgelegene Tankstelle…“
„Und Flucht dann auf dem Fahrrad, oder wie stellst du dir das vor?“
„Ich weiß es doch auch nicht!“
„I kunt an Kredit aufnehma.“
Daniel und ich sahen ihn an.
„I moan, wieso glei ausraubn’a? Dafia sans doch schliaßlich do, oda ned? Wannst dringand a Göid brauchst, aber ned so schnöi oaboatn kost, wiast mogst, da borgst das von der Bank und zoist es eana widerwillig zruck.“

Wir haben Daniel unsere Ersparnisse mit auf den Weg gegeben, ein paar hundert Mark, mehr nicht. Wenn etwas mehr Zeit gewesen wäre, hätte ich noch mein Schlagzeug verkaufen können, und Lukas seinen Bass, aber das wäre im Nachhinein wieder verdächtig gewesen. So blieb es nur bei unseren bescheidenen Ersparnissen. Deren Fehlen fiel zwar uns auf, aber für alle anderen waren wir so klamm wie immer, elendige „Hast du mal ne Kippe für mich“ Schnorrer. Jetzt mussten wir dieses Image weiter bedienen.
Daniel ging wesentlich weiter, das wussten wir aber damals noch nicht. Er stahl nämlich seinen Eltern etwas. Nicht um das später zu verkaufen, sondern um seinem Vater damit weh zu tun. Es war ein für seine Eltern sofort sichtbarer Bruch mit der Familie. Er stahl seiner Mutter Schmuck, den sie nie leiden konnte, und überhaupt nur dann trug, wenn der alte Speck mal mit ihr aus ging. Damit er überhaupt ein Gesprächsthema hatte, weil die nicht ganz billig gewesen waren, zwinker zwinker. Dumme Klunker.

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