„Kannst du nicht in Gießen anrufen und etwas herausfinden?“ Daniel klang verzweifelt.
„Ja, werde ich. Das habe ich dir doch schon gesagt“, seufzte ich. „Aber mach dir deswegen keine Hoffnungen. Ich glaube nicht, dass ich da weit komme.“
„Wos sogst du eana denn?“
„Das sie bei uns was liegen gelassen haben und wir es ihnen nachschicken wollen.“
„Mei, des is genial.“
Das sie mich danach aber wahrscheinlich bitten würden es ihnen einfach nach Gießen zu schicken, behielt ich für mich.
„Ich halte das nicht mehr aus“, flüsterte Daniel mit zitternder Stimme, die aber auch von den inzwischen nachts doch rasch fallenden Temperaturen kam, für die wir zu kalt angezogen waren. „Ich muss hier raus und sie wiedersehen. Ich muss wissen, dass es ihr gut geht.“
Lukas beugte sich vor und drückte Daniel die Schulter, der auf der Motorhaube kauerte, die ihn wärmte. „Uns foid schon no eps ei.“
„Du könntest ja einfach von Zuhause weg laufen, wenn du volljährig bist.“
„So lange halte ich es nicht mehr aus.“
„Komm, die paar Monate.“
„Bis nächsten verfickten Sommer? Nie und nimmer. Ich ertrage das alles nicht mehr, die Schule, meinen Vater, Vilshofen, diese ganze kleinkarierte Scheiße.“
Und er hatte ja recht. Wir alle hatten einen Geschmack von Freiheit kennengelernt. Freiheit ist immer ein Ausbrechen aus Grenzen, nicht nur jenen zwischen Ländern, sondern zuerst aus inneren Zwängen. Der erste Zaun über den wir springen, ist in uns. Wie auch immer, Wir mussten ihn da raushauen. Aber wie?
„Wieso eigentlich ned?“ flüsterte Lukas und setzte sich langsam auf, und ignorierte, dass sich das Dach von Monika dabei gefährlich eindellte, was ich mit einer Gewichtsverlagerung meinerseits auszugleichen versuchte.
„Wieso eigentlich nicht was“, versuchte ich ihm den Gedanken zu entlocken.
„Von Zuhause weg laffa“, wiederholte Lukas.
„Das haben wir doch schon durchgekaut.“
„Na, des moan i ned. Scho, aber es muas ja koana wissn, des du no ned volljährig bist. Wenn man nirgends mehr dahoam is, wo gehst hi? Ois a Fremda? Wanst ned aloa fremd sein wuist?“
Ich verstand es nicht gleich. Und Daniel auch nicht, also guckten wir beide Lukas erwartungsvoll an.
„Zur Fremdenlegion!“
„Was?“
„Wenn du sonst nirgens hi kost, dann geht immer noch ad’d Fremdenlegion“, sagte Lukas überzeugt. „Und Nadine?“
„Die nehman a Frauen, des hob i glesn.“ „Ja, genau!“