Renaissance des Kinos

Wir haben die Autoren am einen Ende, und die Zuschauer am anderen. Dazwischen gibt es vieles, was schief gehen kann, wie das Beispiel dieses Projektes zeigt. Es reicht im Augenblick nicht, dass man als Autor oder Filmschaffender sein Publikum kennt, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Betrachten wir die weiteren Schritte und denken sie neu. Die Grenzen sind dabei fließend, es macht keinen Sinn jeden Punkt getrennt voneinander zu betrachten.

Kinosaal
Kinosaal

Zunächst wirbt man als Autor also um seine Zuschauer, sucht Produzenten und sorgt sich um die Finanzierung. Ab hier führt scheinbar kein Weg mehr an den Filmförderfonds und Fernsehanstalten vorbei. Deren Einfluss ist so gigantisch, dass er die Sicht auf Alternativen versperrt. Es gab eine Zeit vor dem Fernsehen, und es gibt eine danach. Letztere hat bereit begonnen. Doch eins nach dem anderen. Vor dem Fernsehen gab es Kinos und Filmverleiher. Die gibt es immer noch, und erstere sind immer mal wieder in einer Krise. Die Letzte war und ist die Digitalisierung. Doch sie birgt auch ganz neue Möglichkeiten, denn damals war die Filmkopie und deren Transport das teuerste Element. Beides geht heute gegen Null. Warum also keine Jubelschreie seitens der Kinos?

Weil Autoren und Zuschauer ihnen zu wenig zur Seite stehen, und wegen der Krise der Inhalte. Wie ich hier schon näher ausgeführt habe, gibt es viele neue Möglichkeiten das Kino als kulturellen Treffpunkt zu revitalisieren. Edgar Reitz bringt es auf den Punkt:

Das Kino ist ein ganz besonderer Ort. Es ist nicht nur eine Technik, ein Vorführraum für Filme, sondern vor allem ein soziales Phänomen! Denn das Entscheidende ist nach wie vor die Anwesenheit eines Publikums und das gemeinsame Anschauen und Erleben eines Filmwerks. Davon lebt das Kino, und nur auf Grund dieser sozialen Tatsache kann es überleben. (Edgar Reitz im Interview auf getidan)

Filmfestivals schießen in jeder Kleinstadt wie Pilze aus dem Boden, sind gut besucht, und unterstreichen das Bedürfnis und das Interesse seitens des Publikums Filme abseits des Mainstreams zu sehen, vernachlässigte Formate wie Kurz- oder Dokumentarfilm, und sich darüber freuen, wenn sie mit Filmemachern in direkten Kontakt kommen können.

Den Kinobesuch zum Event zu machen, der nicht aus einem Eimer Popcorn, einer halben Stunde Werbung, sowie zwei Stunden Hauptfilm besteht, sondern darüber hinaus geht – das muss unser gemeinsames Ziel sein. Darum soll auch dort wirklich Geld fließen, und man sich gemeinsam finanzieren. Das wird möglich, wenn wir Autoren nicht alle Rechte an unseren Filmen veräußern, und einen großen Bogen um die Buy-out-Verträge machen, von denen wir heute mehr schlecht als recht leben. Wer gut lebt, sind hingegen die Rechteverwerter, die sich nicht die Bohne für die Interessen den Publikums oder der Urheber interessieren. Daher müssen wir das radikal neu denken, und unsere Rechte zurück bekommen.

Neue Vertriebspartner sind inzwischen hinzu gekommen. Die Rede ist von Streaming-Portalen, wie Netflix, Lovefilm, Watchever und ja, auch youtube. Vimeo bietet ebenfalls Bezahlangebote, direkt von den Filmemachern zu den Zuschauern, ebenso sieht es mit Apple und iTunes aus. Was sie jedoch unterscheidet, ist der “Werbefaktor”. Die Streaming-Portale bewerben ihre Serien und Programme, weil sie von Abonnenten leben, und nicht ohne Mehrkosten vom long tail profitieren. Dennoch zeigt dies deutlich auf, dass uns das Internet längst Alternativen bietet, die dem Fernsehen seine Exklusivität nimmt, auch in der Produktion von Programmen, wie wir spätestens seit diesem Jahr begriffen haben sollten.

Als Autoren haben wir heute also wie damals die Möglichkeit, uns direkt an die Verleiher, die Kinos und Internetkonzerne zu wenden, um unsere Filme direkt zu vertreiben, sie um eine Mitfinanzierung zu bitten. Daneben bleibt natürlich Crowdfunding eine Option. Dabei kann man für das eine bereits Kooperationen miteinander eingehen. Soll heißen, man kann mit seinem Film oder seiner Serie auf Tour gehen, wie es Bands und Orchester seit hunderten Jahren tun. Das Internet führt uns zusammen, übernimmt die Organisation. Kevin Smith hat es mit seinem Film RED STATE mehr oder weniger vor gemacht. Und er ist längst nicht mehr der einzige Filmemacher, der neue Wege geht. Wir verkaufen das Special Screening vorab, die Einnahmen sind da, und ermöglichen eine Teilfinanzierung des Films bzw. der Serie, z.B. ein Jahr im Voraus.

Wer nicht so gerne ins Kino geht, kann die Programme auf anderem Wege auf seinen Flatscreen und ins Heimkino bekommen, und für diese Option zahlen die Streaming-Portale und Anbieter exklusiv, befristete Verträge, deren Verlängerung zur Option steht.

Was bleibt sind DVD und Blu-ray Verkäufe, und die sollten wir Urheber ebenfalls nie gänzlich veräußern. Im Gegenteil. Um der Piraterie das Wasser abzugraben, und selbst jene Zuschauer gewinnen können, die weniger internetaffin sind, oder Angst vor Praktiken in einer Grauzone haben. In SD-Qualität sollte alles gratis zugänglich sein, für jeden, schranken- und grenzenlos. Dann kann jeder mitreden, sich eine eigene Meinung bilden, und wer die Autoren kennenlernen will, bekommt die Gelegenheit dazu, im klaren Bewusstsein dessen, dass er uns jetzt, nachdem er unser “Produkt” kennt, die Chance hat uns direkt zu unterstützen, ohne Mittelsmänner in großen Konzernen mitzubezahlen. Jeder kann dann das bezahlen, was er möchte, und was es ihm wert ist.

Als Filmemacher und Autoren stehen wir dann mit jedem neuen Projekt neu unter dem Druck, unser Bestes zu geben. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass unser nächster Film durch die Förderung kommt, weil wir schon einen Erfolg auf dem Konto haben – nein, wir müssen leisten, erneut beweisen, dass wir mit Herzblut hinter unserem Projekt stehen. Das wird mit der Zeit einfacher, weil man sich Fans erarbeitet hat, eine Beziehung mit ihnen führt.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt sollte man sich auch um den Nachwuchs kümmern, und ihm unter die Arme greifen. Im Zweifel hat man sich über die Jahre auf den Events im Kino längst kennengelernt.

Eine schöne neue Welt, ohne Fernsehen, ohne Redaktionen, ohne Fördertöpfe und Subventionen, die doch nur das immer Gleiche ausspucken. Machen wir uns auf den Weg.

Hier noch drei weiterführende Artikel:
1) Zukunft Kino
2) Tagesspiegel
3) ZEIT online

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