Den nächsten Morgen begingen die Großmütter und tauschten Geschichten über ihre Kinder aus, als würden sie Quartett spielen. Wer die größten Häufchen gemacht hat (Johann), am weitesten spucken konnte (Nadine), am längsten Daumen gelutscht hat (Daniel), oder am meisten im Kindergarten geheult hat (Connie).
Doris und meine Mutter hatten sich schon am Vortag auf Anhieb verstanden, was mir schmerzlich bewusst machte, dass sie seit damals bis zum heutigen Tag gute Freundinnen hätten sein können, wenn alles ein bisschen anders gekommen wäre.
„Ich erkenne sie wieder. Helene, richtig?“
„Ja, aber ich wüsste nicht, dass wir uns schon mal begegnet sind.“ „Sind wir nicht, aber ich habe sie einen Tag im Lager mit ihrem Sohn
gesehen. Sie waren so … lebendig, das habe ich nie vergessen. Und das strahlen sie auch heute noch aus.“
„Das ist sehr nett von Ihnen …“
„Doris. Bitte.“
„Das ist Gabriele“, sagte Mama und deutete zu Frau Brant. „Sie kann es wahrscheinlich noch immer nicht leiden, wenn man Gabi zu ihr sagt.“
„So ist es“, sagte die Angesprochene knapp.
„Darf ich fragen wieso?“, wollte Doris wissen.
„Ja, aber darf ich im Gegenzug bitte nicht antworten?“
Die drei sahen sich an und fingen an zu lachen.
„Nicht vor der ersten Kanne Kaffee“, sagte Gabriele. „Die letzt Nacht war sogar für eine Sommernacht zu kurz.“
„Wir sind auch keine 20 mehr“, sagte Doris.
„Warum siehst du eigentlich so fit aus?“, fragte meine Mutter.
„Weil ich … bin einfach 10 Jahre jünger als ihr.“
„Jetzt hör dir das an, Gabi! Dann geh doch zurück nach drüben!“ Doris hob lässig die Augenbrauen. „Bin ich doch. Geht ihr besser mal zurück in den Westen, da geht’s lang.“ Sie zeigte den Abhang hinunter. „Vier Kilometer und ihr seid in Bayern. Das schafft ihr in unter einer Stunde.“
„Ich glaub eher die vier Kilometer schaffen uns, oder Gabi?“