„Warst du beim Friseur?“, fragte mich Schwester Anita sofort, als sie mich sah. „Das steht dir noch besser, als Anfang des Jahres!“ Ihre Begeisterung wirkte durch und durch authentisch.
„So etwas ähnliches hat die Friseuse auch gesagt“, erklärte ich geschmeichelt, vermied aber zu erwähnen, wie und wo es dazu gekommen war. „Danke.“
Ich hatte heute vormittag auf gut Glück in der Ostfriese angerufen und gleich Thomas am Apparat gehabt. Er meinte, es würde auch Zeit für eine Auffrischung, aber hatte Verständnis wegen der Pandemie und so. Nein, Termin bräuchte ich derzeit keinen, das wäre vor wenigen Monaten noch anders gewesen, aber jetzt könne ich einfach vorbei kommen. Gesagt, getan. Dann war ich aber doch etwas enttäuscht, dass er mir gar nicht selber die Haare schneiden wollte, sondern das an eine seiner Mitarbeiterinnen deligierte. Dafür behielt Vuko recht: ich wurde von Thomas – den ich hier aber bitte nur als Marsellus anreden solle – tatsächlich an den Spiegeln, Waschbecken und Stühlen vorbei geführt, durch einen schmalen Gang nach hinten, hinaus in den Hinterhof. Dort war ein Stück Rasen gemäht, in dessen Mitte ein Friseurstuhl auf ein eingelassenes Betonstück geschraubt stand, und auf Kunden wartete. Daneben stand ein Hocker auf Rollen, ein Beistelltisch mit frischer Holunderlimonade und einem Glas, sowie ein antiker Sekretär, der mit den üblichen Utensilien bestückt war: Trimmer, Aufsetzer, Spraydosen, Gel-Töpfchen, Fön – solche Sachen eben. Eine Fabienne würde gleich kommen und mir die Haare schneiden.
„Nimm schon mal Platz“, sagte Diodato, schenkte mir Saft ein und zwinkerte mir zu, ehe er wieder nach drinnen verschwand.
Es war heiß und nach dem gestrigen Regen leicht schwül, obwohl der Hof inzwischen angenehm im Schatten lag.
„Ist das nicht einfach herrlich hier draußen“, hörte ich ein Frauenstimme hinter mir sagen. Ich wollte zustimmen, hatte aber noch Saft im Mund, also nickte ich nur umständlich, und verschluckte mich.
Eine kräftige Hand klopfte mir auf den Rücken. „Geht’s wieder?“
„Danke, ja“, krächzte ich. „Habt ihr eigentlich alle Namen aus Pulp Fiction?“, fragte ich sie, während sie mir bereits das Tuch um den Hals wirbelte.
„Gut aufgepasst“, kicherte sie und trat vor mich. Fabienne trug eine schwarze Perücke wie Mia Wallace im Film. Es sah aber aus, als stünde sie in einem Graben, der eben noch nicht dagewesen war. Dann zog sie ihre Schuhe aus.
„Das Gras ist einfach herrlich“, sagte sie und wackelte geschickt mit ihren Zehen. Dann schwang sie sich geschickt auf den Hocker und stützte ihre überkreuzten Arme auf meiner Schulter ab. „Wie sollen wir es denn machen?“, wollte sie wissen.