23.06.20

Jetzt sieht es gar nicht mehr so düster aus, was das Fest angeht. Wenn überhaupt alle kommen. Aber ich habe alles probiert, und selbst wenn dadurch nur eine neue Verbindung entsteht, besteht die Chance auf Heilung alter Wunden – oder verhindert wenigstens die Weitergabe alter Traumata an die nächste Generation? Darum war ich sofort dafür dem Vorschlag von Anita’s Nichte zu folgen. Der ich jetzt einen neuen Computer versprochen habe. Wenn sie im Gegenzug ihren alten schreddert, als wären wir in Österreich. Noch wohler wäre mir, wenn sie auch noch umzieht, aber Anita meinte, das sei nicht nötig, wegen Proxi, und zwinkerte mir zu. Warum redete sie mich jetzt mit meinem Spitznamen von Nadja an? Das ging dann doch ein wenig zu weit.

Warum lese ich überhaupt Nachrichten? Jetzt ist mir direkt schlecht. Gratulation zu den Hygienebedingungen im Industrieschlachthof, zwei Landkreise zurück in die Quarantäne – auch das ist eine Leistung: 1550 von 7000 Mitarbeitern positiv getestet. Der Bratwurst sieht man es ja nicht an, wenn sich die Unterbringung der Angestellten kaum von der Tierhaltung unterscheidet – interessiert ja das eine wie das andere nicht, und bestimmt wird sich ein Weg finden die Gesundheitskosten von den Gehältern abzuziehen, wie die Unterbringung auf dem Werksgelände ja auch. Am Ende haben vermutlich sogar die Tiere mehr Bewegungsspielraum. Das ist doch alles nicht zu fassen!
Währenddessen wird bestimmt schon in den Hinterzimmern gemault, dass man die Viecher doch sowieso schlachten muss, weil doch aus Ferkeln schnell Schweine werden, und die sich dann schlechter verkaufen lassen. Subventionen! Zuschüsse! Weil Arbeitsplätze! Wirtschaftsstandort, Blablabla. Und dann verplempern sie weiter ungehemmt unsere Reserveantibiotika in der Massentierhaltung, während wir jederzeit riskieren uns auf der Arbeit MRSA oder ARBKs einzufangen. Vielen Dank auch. Jetzt sind wohl wir mit dem Applaudieren dran.
Was sich bei diesen Rindviechern alleine an CO2 einsparen ließe, davon könnten statistisch wahrscheinlich alle Einwohner hier eine Woche bei laufendem Motor im Stau stehen. Das ist jetzt allerdings nicht der glücklichste Vergleich, gebe ich zu.

Sommerpause für Drosten, hat er sich verdient. Und es beruhigt mich merkwürdig, dass das mit dem Treffen jetzt problemlos über die Bühne gehen wird. Wie ein gutes Omen. Wenn der Christian Urlaub machen kann, dann können wir das auch.

Gestern hat Lukas angerufen und unter Vorbehalt bestätigt, dass sie kommen würden. Dann nieste er, putzte sich die Nase, und ich musste nicht mehr nachfragen, was denn dazwischenkommen könnte.
„Ist des normal, das de Kloana allerweil krank san?“

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