Mutter gratulierte mit zuerst, indem sie mich wachklingelte und einen Kuchen vorbei brachte. Beinahe hätte ich mich deswegen mit ihr gestritten, aber warum sollte sie nicht auch häufiger raus gehen? Tut mir doch selber gut. Und dann fühle ich mich eben doch wie zu Hause. Der Duft von dem Zitronenkuchen – nur meine Mama kriegt den so saftig hin. Auch Heimat geht durch den Magen. Oder die Nase. Wir haben einen Riecher dafür.
War da nicht was mit dem einzigartigen Bakterien- und Mirkoben- Biom in jeder Wohnung, die so einzigartig ist wie die Menschengruppe, die darin wohnt? Wie ein Fingerabdruck.
Dass Tina meine Schicht mit mir getauscht hat, damit ich heute frei habe, konnte sie nicht wissen. Ich habe es wohl ausschließlich Walentyna gesagt, damit wir uns heute sehen können.
Mutter maulte noch über die Beschränkungen in den Pflegeeinrichtungen, und dass man daran ablesen könne, wie irrelevant die Alten für die Politik seien. Ebenso wie die Schüler und Schülerinnen, ergänzte ich. Sie pflichtete mir bei, und gemeinsam sei beiden wohl, dass sie zwar wirtschaftliche Faktoren darstellten, aber eben vernachlässigbare. Die einen sind bereits entmündigt, die anderen noch nicht volljährig. Da war nichts zu holen.
Langsam schwant mir, dass die Querdenken, QAnon und andere Spinner nur die Gegenbewegung zu Fridays For Future darstellen. Wer sich dort nicht wiederfindet, braucht etwas anderes. Fast so, als gäbe es einen Wettbewerb, wer von ihnen mehr Demonstrationen plant, gewinnt. FFF haben sogar die Wissenschaft auf ihrer Seite, und die Verschwörungstheoretiker haben was? Aber-Glaube! Wenn das „aber“ zum Glauben wird, zu deinem einzigen Halt, da kommst du mit Wissen nicht mehr gegen an. Mitwissen! Mit-Wissen.
Mitwisser und Abergläubige.
Wir müssen nach mehr „mit“ und weniger „aber“ streben. Muss ich direkt in mein Notizbuch übertragen.
Wie kann man überhaupt auf die Idee kommen, an eine globale Verschwörung zu glauben, die sich auf irgendetwas geeinigt hätte, und das auch noch im Geheimen? Das kann doch echt nicht wahr sein. Wir kriegen überhaupt nichts gebacken, stiften kein friedliches Miteinander von Israelis und Palästinensern, retten nicht den Planeten, aber irgendwelche „Eliten“ einigen sich auf bla-bla? Elfenbeinturm? Wo leben die denn? In ihren von Sicherheitsunternehmen bewachten Privatinseln, wie man es aus James Bond Filmen kennt. Nur ohne dort groß was von Weltherrschaft zu fantasieren, sondern um dort ungestört ihren Wohlstand zu genießen, und fertig. Gut, ein paar haben vielleicht ein schlechtes Gewissen und investieren in Stiftungen um ihr Karma-Konto auszugleichen, oder was weiß ich, ja und? Andere bauen Raketen als Hobby und labern viel Scheiße – aber reicht das für einen Superbösewicht, über den man einen Actionfilm drehen würde? Also bitte. Superreich, ja, aber halt auch super langweilig. Ich hab interessantere Tellerwäscher kennengelernt.