17.06.20

„Das hast du mir nie erzählt“, sagte ich so einfühlsam, wie ich es vermochte.
„Warum grinst du?“, fragte sie.
„Weil das Teil unserer Ausbildung sein sollte. War es auch bei uns nicht“, erzählte ich. „Aber wir hatten zwei schwarze Kolleginnen im Jahrgang, da kamen wir dann von selber drauf.“
„Daran habe ich gar nicht gedacht.“
„Ja, eben. Weil es schon unseren Dozenten nicht in den Sinn gekommen war. Rassistische Strukturen eben. Es wird noch ein paar Generationen brauchen, bis wir das alles überwunden haben.“
„So lange wird das doch nicht …“ Schwester Anita brach ab, weil ich energisch mit dem Kopf nickte.

Immer noch keine Antwort, weder von Daniel, noch von Lukas. Verdammt. Dann kommt es also im schlimmsten Fall nur zu einer Zusammenführung meiner Kernfamilie: Mutter, Vater, Kind. Was für eine Scheiße. Bei den anderen Müttern bin ich noch kein bisschen weiter gekommen. Wegen Doris habe ich der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen geschrieben, und Lukas ob er zufällig wisse, wohin eigentlich Daniel’s Mutter gezogen sein könnte. Ich wolle ihm zu seinem Geburtstag die alte Klampfe wiederbeschaffen, oder zur Not neu kaufen. Eine bessere Ausrede wollte mir nicht einfallen.
Verdammt, was habe ich schon zu verlieren? Ich bitte jetzt Anita um Hilfe. Vielleicht hat die eine Idee, wie ich Doris ausfindig machen könnte.

Sie denkt darüber nach, hat sie gesagt. Und es macht mir ein bisschen Angst, dass man sehen kann, dass sie das nicht nur so dahin gesagt hat. Sie zerbricht sich tatsächlich den Kopf. Während ich das tippe beobachte ich sie dabei, wie jetzt sie sich Notizen macht. Es ist, als sähe ich in einen Spiegel, oder als hätten wir die Rollen getauscht. Alpenveilchen mag ich aber noch immer nicht.
Ab und zu stellt sie mir sogar Fragen, ob sie sich richtig erinnert, was sie vor einem halben Jahr oder früher in meinem Tagebuch gelesen habe, was ich ihr dann bestätige. Anita hat sich noch kein einziges Mal vertan. Sie weiß genauer als ich selbst was drinnen steht –
gibt’s denn so was? Und jetzt meinte sie nebenher, dass es natürlich einfacher wäre, wenn ich ihr eine Kopie … netter Versuch, Anita. Als würde ich dir überhaupt glauben, dass du wirklich alle deine Duplikate gelöscht hast. Eins wird doch aus Versehen übrig geblieben sein, oder nicht? Aber ich sagte einfach nichts. Und froh über ihre Hilfe war ich dennoch.

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