16.06.20

Mutter lächelte, aber ich war mir nicht sicher worüber. Ist ja auch egal. „Dann kannst du ja eine davon deiner Putzfreundin aus dem dritten Stock schenken.“ Ich seufzte. „ Aber was ich noch fragen wollte: Wie wär’s, wenn wir nächsten Monat ein Wochenende nach Thüringen fahren, um hier mal raus zu kommen?“
„Ich kann hier nicht weg, und das weißt du.“
„Mama, du hast mir doch gerade selber erzählt, dass sie dich nicht ins Heim lassen. Dann kannst du doch mitkommen.“
„Bis dahin ist bestimmt alles offen.“
„Das bezweifle ich“, sagte ich so sanft wie möglich. „Die werden es auch zwei Tage ohne dich aushalten.“
Sie sah mich an und wusste nicht, ob sie sich freuen sollte. Das sah ihr überhaupt nicht ähnlich.
„Denk darüber nach“, schlug ich vor, aber dann fiel mir noch etwas ein. „Du könntest Mario, Clara und Dennis bei der Gelegenheit mal selbst kennenlernen, oder wenigstens in Augenschein nehmen.“
Mutter sah auf. „Die kommen auch?“
„Das ist noch nicht sicher, aber wahrscheinlich schon“, sagte ich zuversichtlicher, als es sich anfühlte.
„Würde es dir etwas ausmachen ein Zimmer mit mir zu teilen, so wie früher?“
„Das ist lieb von dir, aber ich hätte lieber meine Privatsphäre.“
„Wenn du jemanden kennenlernst, gib mir halt ein Zeichen, und ich komme woanders unter.“
„Ach, du Spinner.“
Ich grinste, nahm sie in den Arm und war ein bisschen erschrocken darüber, wie dünn sie sich anfühlte.
„Oh, und lad’ dir diese Corona-Warn-App runter.“
„Wozu, wenn ich eh nicht aus dem Haus gehe?“
Ich seufzte. „Was weiß ich, damit es mal piept, wenn jemand im Treppenhaus vorbei geht?“ Sie lächelte, nickte und drückte mich erneut. „Sag, weißt du zufällig noch, wie Frau Speck mit Mädchennamen hieß?“
„Nein. Wieso fragst du?“
„Weil … ach, nicht so wichtig“, sagte ich und verabschiedete mich.
„Hast du heute gar nicht dein Poesiealbum dabei?“
„Mein was?“, fragte ich verdutzt. „Ach so, nein. Dafür wieder die Semmel. Und bitte nenn es nicht so.“
„Warum denn nicht? Du schreibst doch Gedichte rein.“
„Es sind keine Gedichte, sondern Texte.“
„Wie du meinst.“ Schwester Anita wollte sich nicht mit mir streiten und ich war überrascht, dass ich es war, dem deswegen jetzt etwas fehlte.

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