„Nimm dir immer eine Frau, die …“ Mama hielt inne und seufzte. „Eine Freundin, die schlauer ist als du.“
„Okay, verstanden.“ Das war jetzt nicht so der Hammer, den ich erwartet hätte. Ich war sogar ein bisschen enttäuscht. „Junge, denk bitte einen Moment darüber nach.“ „Hab ich.“
„Dann noch einen!“, sagte sie wütend.
„Ich versteh nicht, was du meinst“, sagte ich bockig und holte tief Luft. Hieß das nicht auch – ich traute mich kaum es auszusprechen, deswegen tat ich es gleich, bevor ich es mir anders überlegen konnte: „Aber hat das nicht auch Papa gemacht?“
„Im Prinzip schon. Aber das ist der springende Punkt: Man – also der Mann – muss es auch wissen. Er muss es nicht verstehen, warum seine Partnerin schlauer ist, als er, aber er muss es ahnen. Immer ein Stück außerhalb seiner Reichweite.“
„Die Möhre vor dem Esel?“
„Sehr richtig.“
„Und warum ist das so wichtig?“
„Damit du als Charakter wächst. Und umgekehrt auch. Frau will Mann ja immer einen Schritt voraus sein. Das hält auf Trab.“
„Und was hält dich auf Trab?“
„Nett, dass du fragst, ich –“
„Nein! Halt! Danke, nicht nötig!“ So schnell habe ich selten reagiert, und war froh.
„Siehst du? Jetzt lernst du gerade dazu“, sagte Mama zufrieden.
Wir stapften weiter durch den Schnee, dann blieb ich abrupt stehen. „Moment, wieso hast du mich dann mit Frauke – ich meine der Yoga- Frau …“
„Karin!“
„Wie auch immer! Die findest du schlauer als mich?“
„Das ist nicht böse gemeint, Junge. Eine Nobelpreisträgerin ist sie nicht, das ist dir ja auch aufgefallen. Deswegen hat sie dennoch etwas zu bieten, wo sie dir meilenweit voraus ist.“
„Ich will’s gar nicht mehr hören …“
„Der Zug ist ohnehin abgefahren.“ Mutter seufzte wieder.
„Das kommt auf den Beobachter an“, sagte ich vielsagend, und Mama zog eine Augenbraue nach oben. „Einstein.“
„Weißt du wenigstens seinen Vornamen, oder muss ich dir den auch wieder soufflieren?“
© Jens Prausnitz 2023